Montag, 14. April 2014
[ja? nein? jein?]
Was macht man, wenn ein anfängliches Hobby sich verselbständigt und Eigendynamik entwickelt?
Was macht man, wenn man einerseits getrieben ist, andererseits aber voller Zweifel?

Vor etwa 2,5 Jahren sind wir gewechselt. Von der Tanzschule in den Tanzsportverein.
Unser Wunsch war klar: wir wollten das Tanzen besser erlernen. Besser als es in der Tanzschule möglich ist, bessere Trainer, bessere Trainingsmöglichkeiten.
Die bitteren Pillen, die es dabei zu schlucken gab, wie etwa Vereinsleben und Antritt bei Turnieren, ließen uns länger zögern, aber es gab keine andere Möglichkeit, unseren Wunsch zu erfüllen und so nahmen wir diese in Kauf.
Zu Beginn hatten wir ja auch wirklich Null Ahnung, wie es so im Tanzsport läuft. Man beginnt, egal auf welchem Niveau man in der Tanzschule bereits getanzt hat, mit allem nochmal von vorne. Kein Schritt bleibt wie er war, kein inneres Konzept von Bewegung und/oder Körperhaltung bleibt erhalten. Kaum glaubt man, etwas verstanden zu haben, erklärt einem der Trainer, dass man lediglich eine weitere Stufe des Unvermögens erreicht habe und dass man nun das eigene Konzept wiederum über Bord werfen muss, um die nächste Stufe zu erklimmen.
Über die Jahre hat uns dieser Lernprozeß immer wieder fasziniert und bei der Stange gehalten. Während wir eigentlich gar nicht so bewußt gemerkt haben, was sich alles verändert, sind wir schneller als uns lieb war in die zweithöchste Amateurklasse aufgestiegen. Tatsächlich war dies mehr ein Versehen und nicht beabsichtigt, aber so spielt das Leben dann eben.
Und genau da beginnt unser Problem.

Ja, wir sind irgendwie gut und talentiert, sonst wäre es ja nicht so gekommen. Ja, es lässt uns irgendwie nicht los, aber tatsächlich ist es komplexer.

Ich für meinen Teil leide ja an einem Selbstwertgefühl im Negativbereich, das sich zuweilen mit kindlichem Trotz, gerne aber stets mit Perfektionswillem (man will ja nicht negativ auffallen!) und gerne Ungeduld paart. So sehr ich mich also am Lernen an sich erfreue, so sehr leide ich unter meinem eigenen Unvermögen, Dinge sofort umzusetzen. Das Üben als Prozeß mit vielen Fehlversuchen versetzt mir derart viele innere Stiche der gefühlten Niederlagen, dass das Training regelmäßig im Streit mündet, was sehr unschön ist, denn mein Trainingspartner ist ja gleichzeitig mein Lebenspartner und unterliegt ja denselben Gesetzmäßigkeiten. Das bedeutet, dass auch er nicht alles sofort kann und bestimmte Dinge nur dann funktionieren, wenn tatsächlich beide alles richtig machen. Bis es soweit ist, haben wir uns aber bisweilen schon in einer stetigen Abwärtsspirale in Konflikten verstrickt, dass alles einfach nur noch mühselig ist und wir uns fragen, warum wir das alles einfach machen.
Es folgen dann lange Diskussionen, in denen alles in Frage gestellt wird, an deren Ende bisher immer die Schlußfolgerung stand, dass wir weitermachen, dass wir nicht wissen warum, aber dass wir es nicht aufgeben wollen.

Ein weiterer Stressfaktor sind die Turniere. Turniere sind im Grunde die einzige Möglichkeit, den eigenen Fortschritt im Vergleich zu anderen überhaupt realistisch einzuschätzen - man sieht sich selbst ja nie tanzen und ein Gefühl dafür, wie das eigentlich aussieht, gibt es nicht. Man fährt also auf so ein Turnier und sieht dann da Paare und denkt "Wahnsinn, wie toll die tanzen". Häufig haben wir die tollen Paare dann geschlagen und nicht wirklich gewußt, warum, denn auch der Mann hat nicht das ausgeprägteste Gefühl, dass er einfach super ist.
Ganz im Gegensatz zu manch anderen Leuten, die diesem Sport nachgehen. Mal ehrlich: wir sind doch alle erwachsen in unserer Altersklasse, gestandene Leute. Aber manche sind derartige, ich sag es einfach mal: Lackaffen, Großtuer, Rampensäue, dass mir der geistige Mageninhalt hochkommt. Emotional bin ich aber in der Regel komplett eingeschüchtert von sowas.
Entsprechend unentspannt läuft dann so ein Turniertag ab. Es muss ja alles mehr oder weniger perfekt sein. Ich würde es ja nicht wagen, mit schmutzigen Fingernägeln oder nachlässigem Makeup da aufzulaufen oder mit einer blöden Frisur. Andere können das, die sind irgendwie entspannter. Selbst auf Meisterschaften habe ich Frauen gesehen, die aussahen, als hätten sie der Termin eigentlich verschwitzt und sich statt des Putzkittels schnell mal die Robe übergeworfen. Ich kann das nicht.
Aber ich kann so manches andere auch nicht.
Lächeln zum Beispiel. Ich bräuchte einen Mundwinkelexpander, denn das Lächeln hält einfach nicht und fällt herunter. Wenn ich versuche ein lyrisches Gesicht zu machen, sieht es genervt aus. Wenn ich außer Atem bin, sehe ich genervt aus. Wenn ich gar kein Gesicht mache, sehe ich genervt aus. Nach jedem Tanz sehe ich aus wie eine schnippische Olle, die ihrem Mann gleich Shit gibt, weil er einen Fehler gemacht hat.
Das habe ich mir allerdings abgewöhnt. Beim Turnier halte ich die Klappe. Beim Turnier wird geliefert und fertig. Ohnehin bin ich so nervös und so mit mir beschäftigt, dass ich um mich herum kaum etwas wahrnehme.
Nach dem Turnier habe ich in der Regel Migräne, Rückenschmerzen, Unterleibsschmerzen und fühle mich wie vom Bus überrollt, obwohl ich sportlich gesehen eigentlich keine große Leistung erbracht habe. Der innere Stress frisst einfach alles weg.

Damit kann der Mann gelassener umgehen, aber er weiß, dass er zu Hause nur noch das Häufchen Elend namens Frau zusammenkehren darf; das findet er natürlich nicht so toll.

So haben wir die Anzahl der Turniere unauffällig auf ein Minimum beschränkt. Gerne wird das ja nicht gesehen. Bei Turnieren repräsentiert man ja den Verein. Aber nicht nur den. Wir sind ja sozusagen die Pferdchen unserer Trainer und die schicken uns ins Rennen gegen die Pferdchen anderer Trainer. Unsere Trainer konkurrieren also sozusagen mit anderen Trainern, wer da die besseren Pferdchen / Trainingsmethoden hat.
Entsprechend tritt man natürlich auch mit einer gewissen Erwartungshaltung an uns heran udn dazu gehört natürlich auch, wie man bei so einem Turnier "rüberkommt".
Es ist tatsächlich ein Machosport. Der Mann bzw. die Qualität des Herrn entscheidet über Erfolg und Misserfolg. Wenn Auftreten, Körpersprache, Mimik und Gestik den Siegeswillen demonstrieren und das tänzerische Können dann da noch passt, dann darf man vorne mitspielen. Oder man ist so gut, dass es darauf nicht ankommt. Bisher waren wir immer in der zweiten Gruppe. Also vorne mit dabei, aber ohne Schauspiel.

Nun sind wir aber in der zweithöchsten Amateurklasse. Das bedeutet, wir dürfen bei internationalen Wettbewerben starten. Und seitens unserer Trainer wird dies ausdrücklich erwünscht.
Das hat aber eine ganze Reihe Fragen aufgeworfen.
Soll man sich das antun? Wir stehen immerhin erst am Anfang dieser Klasse. Was soll man da eigentlich dann können oder welche Lernfelder gibt es zu bearbeiten? Konkurriert der jetzt ggf. zu erlernende schauspielerische Feinschliff nebst einwandfreier sauberer Technik nicht mit anderen Wünschen, wie z.B. andere Fähigkeiten auszubauen, die Choreographien variieren zu können, ausweichen zu können (man nennt das Floorcraft), neue Elemente zu lernen, das Spiel zwischen den Partnern (Führen und Folgen) zu verbessern.
Aus dem "wir wollen" ist plötzlich ein "wir müssen" geworden. Aus Tanzen wurde Training. Aus einem Hobby wurde ein Leistungssport.
Wo ist jetzt die Grenze, die wir ziehen müssen, um den Spaß nicht zu verlieren?

Dazu kommen noch weitere Aspekte. Wenn die Leute im Verein mitbekommen, dass man nicht so tickt wie sie (Turniere sind toll und Gewinnen ist noch toller), trifft man auf Unverständnis.
Wir schätzen unsere Trainer sehr und irgendwie wollen wir sie auch nicht enttäuschen, andererseits aber sind wir ja erwachsen und wollen nicht nach deren Pfeife galoppieren.

So, wie wir jetzt tanzen, gibt es kein zurück mehr in die Tanzschule. Ist der Gaumen erstmal versaut, isst Du auch nicht mehr täglich an der Pommesbude, so ist es einfach.

Aber das Tanzen frisst auch Ressourcen. Es braucht Zeit, Planung, Privatstunden, Ausstattung (Schuhe, Kleid, Frack, Trainingsklamotten, Workshops), Reisezeit, Vorbereitung auf Turniere (mental und auch sonst). Es ist ein teurer Sport, keine Frage.
Aber der Mann und ich haben jeweils noch ein anderes Hobby, das wir nicht an den Nagel hängen wollen / können. Auch hier sind wir irgendwie getriebene.

Es gibt aber Leute, die werden durch gar nichts getrieben und die finden das ok so. Zum Beispiel der Kollege vom Mann. Der hat dann Zeit für Dinge wie Grillen, mit den Nachbarn quatschen, Wochenendurlaub, Gartenarbeit usw, während wir zwischen Arbeit, Training, Haushalt, Stunden und anderen Hobbies immer nach Luft schnappen, jeden Tag als zu kurz empfinden und regelmäßig am Wochenende in uns zusammensinken oder am Wochenbeginn über Unwohlsein klagen, weil selbst am Wochenende keine Zeit mehr für Erholung übrig war.

Gesund ist das nicht. Aber wir können es nicht sein lassen.
Und just am Wochenende gab es wieder eine längere Diskussion, die sich daran entzündete, dass der Mann auf die Frage, was er als nächstes machen wolle mit „egal“ antwortete, was mich irgendwie aus der Fassung brachte und den Trainer in Erstaunen versetzte, woraufhin wir unsere Privatstundenzeit mit einer Standpauke verbrachten statt mit Unterricht, an die sich wieder eine längere Diskussion anschloss.

Keine 24 Stunden später aber entdeckte ich in einem sozialen Medium, dass ein Konkurrenzpaar, das wir stets hinter uns gelassen hatten, nun ebenfalls aufgestiegen ist und diesem Paar fehlt es wohl keineswegs an Selbstbewusstsein, denn trotz häufig mediokrer Platzierungen und mühsamer Aufstiegsarbeit waren sie sich nicht zu schade, sozusagen den nun bevorstehenden internationalen Durchbruch anzukündigen.
Lapidarer Kommentar des Mannes: „Na, dann können wir das ja auch machen, da werden wir wenigstens nicht Letzter.“

So sei es.

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Freitag, 11. April 2014
[kinderlos]
Ich habe keine Kinder (plural). Auch kein Kind (singular).
Ich bin kinderlos.
Das hat Gründe.
Alle meine Schwestern sind kinderlos. So ist es eben. Nettofertilitätsrate 0.

Gestern kam es dazu, dass sich an diesem kinderlosen Sein plötzlich einiges aufrieb, aber warum?
Beginnen wir also mit dem Ereignis, das alles auslöste.

Meine direkte Kollegin (ein Kind) kam mit strahlendem Gesicht auf mich zu und mit verschwörerisch leiser Stimme versuchte sie mir etwas mitzuteilen, was ich aber nicht sogleich verstand. Nach einiger Verwirrung, sie sprach von einer Kollegin, deren Namen sie nicht wusste (!), nur den Sitzplatz und sie versuchte mir also anhand der Sitzplatzanordnung zu erklären, wen sie jetzt meinte, also ebendiese Kollegin, die hätte sie jetzt angesprochen, weil die ja so aussah als habe diese abgenommen (!), aber die habe dann geantwortet, nein, sie sei schwanger. Meine direkte Kollegin war nun voll der Freude über diese Nachricht und musste mir nun mitteilen, dass sie sich ja soooo für diese Kollegin freue, die sei ja "so eine Liebe".

Meine direkte Reaktion: ich habe ihr erstmal erklärt, dass ich diese Kollegin eigentlich nicht für "so eine Liebe" halte, stattdessen für eine etwas dümmliche Person (Einwurf Kollegin: "Ja, aber doch so lieb!") und berichtete außerdem von einer Zusammenarbeit mit eben dieser Kollegin, wo sich sich mir gegenüber angelegentlich einer umfangreichen Arbeit für sie in meinen Augen inadäquat, ignorant und sogar ein wenig arschlochmäßig verhalten habe und seitdem mache ich eigentlich einen Bogen um sie.
Als meine Kollegin in ihrem "Ein Baby kommt"-Wahn immer noch nicht merkte, dass ihr Bericht mir gegenüber unerwünscht war und mit weiteren Details versuchte zu insistieren, bügelte ich sie ab mit dem Satz "Ich denke, es reicht jetzt, Du solltest Dir ja denken können, dass ich mit diesem Thema ein Problem habe.", woraufhin sie deutlich ihr Strahlen verlor und murmelte "Naja, so in der Deutlichkeit sei ihr das nicht klar gewesen."

Es gibt viele Aspekte an dieser Geschichte, die mich aufregen.

Seit geraumer Zeit, also seit hier in meinem Arbeitsumfeld die Frauen Kinder bekommen haben, habe ich verschiedene Dinge beobachtet. Zum Beispiel diesen fast verschwörerischen Pakt zwischen Müttern, den Zusammenschluss, der natürlich kinderlose Leute auch ausschließt. Es wird nicht mehr so sehr nach der Person entschieden, sondern nach dem Familienstand, ob man ein adäquater Gesprächspartner ist oder sich gar für nähere Kontakte eignet. Es ist natürlich auch verständlich. Das ganze Leben ändert sich mit einem Kind, es bestimmt den Alltag und das Denken, viele Dinge müssen entschieden werden, beeinflussen Lebensplanungen, Kaufentscheidungen, Termine, Flexibilität, Ressourcen etc. Es ist gut und wichtig, dass man sich darüber austauscht. Dennoch habe ich sehr häufig den Eindruck, dass es bei Müttern oft NUR noch darum geht.
Ich habe verschiedene Wege versucht, damit umzugehen. Ignorieren, echtes Interesse, diplomatische Neutralität.
Ich mag meine Kollegin, aber nahezu alles, was sie zu berichten hat, handelt von ihrem Kind bzw. dem Leben mit ihrem Kind. Es ist zuweilen schwierig für mich, da immer das Interesse aufzubringen, das sie für angemessen halten mag. Ich habe eben kein Kind. Ich höre mit dem mir zur Verfügung stehenden Interesse zu, versuche das Gehörte zu verarbeiten und zu verstehen und gut ist. Es hat keinen Übertrag auf meinen eigenen Alltag, solange in diesem keine Kinder auftauchen. Nicht, dass ich in diesen Gesprächen nichts gelernt hätte. Ich habe z.B. auch eine Art Toleranz und Verständnis entwickelt für Mütter, ihre Belastungen, ihre Sorgen und auch ihr Glück. Früher habe ich Kinder eigentlich nur als nervige Störer betrachtet, heute sind sie ggf. immer noch nervige Störer, aber ich habe ein anderes Gesamtbild.

Was mich allerdings einmal auch sehr getroffen hat, war, nachdem ich mich redlich bemüht hatte in einem Müttergespräch nicht nur stumm danebenzusitzen -sie hatten kurzerhand die Themenwahl an sich gerissen- sondern versuchte mich (positiv) am Gespräch zu beteiligen, was mir später mit einem "Du hast doch sowieso keine Ahnung" als inadäquate Einmischung interpretiert wurde, als hätte ich mich unerlaubt in ein bereits bestehendes Gespräch gedrängt. Seitdem halte ich meine Klappe und betrachte das als verbotenes Terrain.
Es gibt also auch so eine Art Themenbesitzanspruch von Müttern, aus der Vergangenheit ist mir noch eine in Erinnerung, die tatsächlich meinte, mit der Geburt würden so Instinkte freigesetzt und man mache dann als Mutter so viele Dinge einfach automatisch richtig. Das war noch vor der Zeit von populären Internetforen und der Flut von Beratungsbüchern, also mehr als 15 Jahre ist das her. Wäre ich schlecht gelaunt, könnte man es auch Rechthaberei nennen.

Kommen wir nun an den Punkt, warum ich eigentlich keine Kinder habe.
Kinder haben mich nie begeistert. Es gab ja diese Mädchen, die schon in der Grundschule versessen waren auf Babies oder kleinere Kinder. Diese jungen Frauen, die immer schon wussten, dass sie 1, 2, 3 oder wieviele auch immer Kinder haben wollten, aber auf jeden Fall gehörte das dazu zu einem abgerundeten Leben. Wie wäre es sonst anders zu erklären, dass Frauen übelste Qualen auf sich nehmen, um schwanger zu werden, wenn dies auf herkömmlichem Weg nicht gelingen will? Es gibt also diesen Kinderwunsch, den Ruf der Evolution. Ich habe ihn nicht gespürt oder gehört. Mich hat es nie zu Kindern hingezogen. Als Nachzüglerin in meiner Familie weiß ich auch aus erster Hand, dass es meinen Schwestern ebenso ging, ich war nicht das heißgeliebte kleine Geschwisterbaby, auf das sich alle Liebe fokussierte, nein, ich war das nervige kleine Ding, auch noch Konkurrent um die Ressource Mutterliebe.
Wenn es auch keine Erklärung sein kann, so ist es doch ein Aspekt, mit dem ich aufgewachsen bin und der mich vielleicht auch geprägt hat.

Später, so mit Anfang 30, da hätte ich erstmal gerne eine Zukunft gehabt mit einem Mann, denn meine Beziehungen waren bis dato immer instabil gewesen. Ich glaube, dass auch nie ein Mann auf die Idee gekommen wäre, mich als Mutter seiner Kinder zu betrachten, zumindest habe ich nie einen Mann kennengelernt, der das je so ausgesprochen hätte oder sich so benommen hätte als habe er derlei Absichten. Und so ist es wohl, dass man sich dann auch findet, wenn auf beiden Seiten kein Bedarf besteht. Der Bekanntenkreis besteht auch nicht gerade aus Menschen, die in den Startlöchern für die Familiengründung stehen, das Thema ist weit weg. Aber dann irgendwann kam es: das Ticken der biologischen Uhr. Es sind diese Jahre, in denen einem klar wird: Du hast nicht mehr ewig Zeit, die Dinge müssen sich innerhalb der nächsten paar Jahre entscheiden. Und dann ist die Entscheidung endgültig. Aber ohne Mann kam das für mich nicht in Frage (es gibt da ja andere Lebensmodelle, wie das einer früheren Bekannten, die sich als Pharmavertreterin den richten Erzeuger unter den Ärzten gesucht hat, um jetzt glückliche alleinerziehende Mutter zu sein, die wollte einfach keinen Mann). Als ich dann den Mann kennenlernte, kam das Thema relativ schnell auf. Er ist ja kein Dummer und ihm war klar, dass auch sein Leben maßgeblich verändert würde, wenn ich auf Nachwuchs bestünde. Ich war Mitte 30.
Immerhin war ich ehrlich, erzählte von meinen Zweifeln, meinem fehlenden Hang zu Kindern, trotzdem dem verklärten Wunsch nach einem "heilen Leben", das man sich ja immer mit Kindern vorstellt, der Angst vor der riesigen Verantwortung und auch der Angst, nicht klarzukommen, weil ich selbst ja auch voller unerfüllter Bedürfnisse stecke. Einem Kind wäre das nicht so zuträglich. Ich wäre keine gute Mutter. Gewesen. Denn: er wollte auch keine Kinder, das artikulierter er ganz glasklar. Und wenn man selbst nicht sicher ist, wird man den kleinen Keim eines möglicherweise komplett irrationalen Wunsches sicher nicht gegen den Willen des Partners durchsetzen (das hört man ja auch, dass Frauen dann die Pille "vergessen" oder wie auch immer es so drehen, dass sie ihren Willen bekommen).
Punktum, wir haben keine Kinder. Aus verschiedensten Gründen. Und wenn ich mich heute so ansehe, dann ist es auch besser so. Für das Kind, meine ich. Oder für alle Beteiligten.

Das heißt aber nicht, dass ich Kinder hasse. Ich stehe ihnen eher neutral gegenüber. Ich kann nicht viel mit ihnen anfangen. Der mangelnde Kontakt zu Kindern macht mich unsicher im Umgang mit ihnen, ich fühle mich unbeholfen und weiß nicht, in welchem Alter welche Gesprächsthemen und welcher Tonfall angemessen sind. So ein richtiger Draht kommt da meist nicht zustande. Manche Kinder finde ich tatsächlich süß. Vielleicht rein vom Ansehen her oder weil sie gerade nicht laut sind. Manche Kinder finde ich fürchterlich, aber das darf man sich ja nicht anmerken lassen. Mit manchen Kindern habe ich Mitleid, meistens wegen ihrer Eltern. Ich denke, Kinder können faszinierend sein, weil die Interaktion mit ihnen einmalig ist. Nicht ohne Grund sind Eltern trotz aller Strapazen und allen Stresses voller Liebe und Stolz für ihren Nachwuchs.

Eher sehe ich es so: es ist eine Entscheidung jedes Erwachsenen, ob er in seinem Lebensentwurf Kinder vorsieht. Es ist natürlich gesellschaftlich eher akzeptiert, das auch so zu wollen und auch so umzusetzen. Wenn man keine Kinder mag und/oder keine Kinder haben will, dann stimmt mit einem etwas nicht. Vielleicht ist das auch so. Aber das Leben kommt eben in vielen Varianten. Leute werden groß, klein, dick, dünn und weiteren Normvarianten geboren, warum soll es dann nicht auch diese Variante geben, mit der man dann trotzdem gesellschaftliche Akzeptanz erfährt?
Ich akzeptiere die Lebensentscheidung von Menschen mit Kindern. Ich erkenne diesen Schritt an als eine (hoffentlich) verantwortungsvolle Entscheidung, die ihr ganzes weiteres Leben maßgeblich beeinflussen wird.
Was mich aber regelmäßig irritiert, ist z.B. die fast kreischige Begeisterung von Müttern über fremde Babies. Babies sind ja so süß, am besten sind die Babies ja, wenn sie noch total hilflos sind und nichts können und total abhängig von den Müttern sind. Ich fühle mich dann regelmäßig wie bei einem Psychopathentreffen und frage mich „merkt einer noch was?“. Aber das scheint auch sozial akzeptiert und sogar erwünscht zu sein. Babies sind das Tollste, was es gibt und aus. Keine Widerrede. Natürlich lieben Eltern auch noch ihre Teenagerkinder oder Pubertiere, aber Babies rule. Das kann man vielleicht nur verstehen, wenn man mal selbst eines hatte, aber sorry: ich kann es nicht. Mir fehlt da was im Gehirn.
Und genauso irritiert es mich, wenn Frauen also nun erfahren, dass andere Frauen „guter Hoffnung“ sind. Sofort schnappt die Zange des solidarischen Mütterpaktes zu, der alles gegen äußere Widrigkeiten zu verteidigen bereit ist.
Aber mal ganz ehrlich: nur, weil irgendwer, den ich eigentlich gar nicht kenne, sich nun entschlossen hat, sich fortzupflanzen, soll ich in Freudentaumeln verfallen? Anderer Leute Leben ist anderer Leute Leben. Es hat nichts mit meinem zu tun. Ob sie heiraten, Häuser bauen, Kinder bekommen, Bäume pflanzen, warum soll mich das interessieren, solange mich die Person an sich nicht interessiert?
Vielleicht spielt da auch noch ein wenig Neid mit hinein, weil ich so etwas nicht habe, diese uneingeschränkte Zugehörigkeit zu etwas, dieses gemeinsame Thema, das sozusagen sozial gruppenübergreifend ist, genauso wie Männer immer über Fußball als gemeinsamen Nenner in Kontakt kommen, schaffen das Frauen über ihr Muttersein. Und da ich weder bei Fußball noch bei Kindern mitreden kann, bin ich eben außen vor. Und da ich mich auch nicht groß für andere gesellschaftlich breit angelegte Themen wie Mode / Kosmetik / Celebreties / Filmschmonzetten / Chartmusik / Pauschalurlaub usw. interessiere, wird es für mich eng.
Und vielleicht ist es in solchen Augenblicken wie der geschilderten Ausgangssituation dann einfach so, dass ich mich einfach belästigt fühle, dass da andere mit ihrem Weltbild kommen und meinen, das, was sie jetzt gerade total begeistert, das müsse auch mich total begeistern, wohlwissend, dass ich ja eigentlich gar nicht zum Adressatenkreis gehöre, der da in Begeisterung ausbricht, aber egal, das eigene Begeistertsein muss reichen, um andere anzustecken, aber wie unendlich weit weg bin ich dann in diesem Moment eigentlich von der Welt, wo ich zu nichts und niemandem gehöre, wo es keine gemeinsamen Themen gibt, wo sich keiner auch nur einen Dreck für das interessiert, was ich tue, was mich bewegt und interessiert, aber wo von mir verlangt wird, dass ich mich im Gegenzug sehr für die Belange der anderen interessiere oder gar begeistere?
Menschen haben das Bedürfnis nach Austausch mit Gleichgesinnten, ich habe das ja auch. So suchen sie sich dann vielleicht Vereine, religiöse Gemeinschaften, Fanclubs, Internetforen etc. Ich habe mir mein Leben ja auch so eingerichtet, dass ich meine Interessen verfolgen kann und mich auch mit anderen austauschen kann. Nur gehöre ich eben nicht dem „großen“ Club an, der weltumspannend Frauen vereint. Ist das ein Fehler?
Ich kenne ja mittlerweile auch ein paar Mütter, deren Kinder schon größer sind und die tatsächlich auch gerne über andere Themen mit mir reden. Vielleicht entspannen sich die Dinge ja tatsächlich, sobald die Kinder größer und auch selbständiger sind, die Anforderungen im Alltag ändern sich da einfach und es ist eben auch wieder möglich, ohne das Kind soziale Kontakte zu pflegen, was ja in den ersten Jahren nahezu unmöglich ist.

Vielleicht sollte ich jetzt zum Ende kommen und ein Fazit ziehen. Aber irgendwie hat mein Text ja nicht stringent auf eine Schlussfolgerung hingearbeitet. Vielleicht sollte ich sagen: Mütter, habt mehr Verständnis für Kinderlose, denn ihr wisst nicht, was dahintersteckt und es ist schwierig, das Verständnis füreinander zu entwickeln, wenn man undifferenziert und aus möglicherweise völlig emotionalem Überschwang heraus andere mit den eigenen Themen übergießt. Aber eigentlich gilt das für alle und zu allen Themen, finde ich. Was nicht bedeutet, dass ich jederzeit völlig korrekt bin und mit mir nicht die Pferde durchgehen, ganz im Gegenteil. Aber ich bin ein Mensch, der auch der Akzeptanz und Integration bedarf.

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