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Donnerstag, 26. Januar 2012
[seltsame Welt]
midori, 14:48h
Was für eine seltsame Welt, in der ich lebe.
Menschen, die extrovertierte Rampensäue sind, vielleicht mit etwas musikalischem Talent gesegnet, aber noch mehr mit dem gerade angesagten Attributen, dem erforderlichen Quentchen Schönheit und scheiß auf Intelligenz, wer braucht die schon, wenn man dann Kohle auf dem Konto hat, die werden bewundert und um die reißt man sich, da werfen Teenies ihre Höschen auf die Bühne und kaufen von ihrem mickrigen Taschengeld wertlosen Tand, der den da oben noch reicher macht.
Oder Fußballspieler. Das singuläre, sportliche Talent wird belohnt wie kaum etwas. Vorbilder sind die doch schon lange nicht mehr. Werden aber traurigerweise trotzdem als solche genommen. Bis spätestens nach dem 5. Fehltritt die Pressehyäne sich auf sie alle stürzt und lebendigen Leibes zerfleischt. Naja.
Und dann so Nerds, die vielleicht auch singuläre Talente haben, vielleicht so Maschinenbauer, über deren pickeliges Gesicht wir uns gerne lustig gemacht haben oder über ihre mausgraue Kleidung und die erfinden dann irgendwas Supertolles, das unser Leben leichter oder sicherer macht, aber in Bereichen, die außerhalb von iPhones liegen und die kennt keiner und niemand würde sie bewundern.
Oder die Leute, die sich engagieren, für die Umwelt, für Soziales, für Gerechtigkeit. Keiner guckt denen hinterher oder will so sein wie die. Man guckt dem dicken Bonzenwagen hinterher oder dem roten Sportflitzer.
Und diese Leute führen ein so hermetisch abgeschirmtes Leben, aber sie bestimmen unseren Alltag, bestimmen, ob wir Arbeit haben oder nicht, was wir im Fernsehen konsumieren dürfen oder nicht, was wir für erstrebenswert halten und was nicht.
- - -
In letzter Zeit häufiger mit den öffentlichen Verkehrsmitteln innerstädtisch gefahren, aus rein praktischen Gründen, denn die planbarkeit ist besser als am frühen Morgen, wo jede Minute kostbar ist, 15 Minuten Sicherheitspuffer für eventuellen Stau mit einzukalkulieren. Dabei gesehen, wie arm diese Stadt tatsächlich ist, wie arm die Leute, die mit der Straßenbahn unterwegs sind. Manchmal die gleichen Leute wiedererkannt. Verlebte Gesichter, Menschen in grau. Ohne Chancen.
Plankton. Krill. Und ich einer von vielen.
Dann aber wieder aus kompletter Abneigung die weniger als 2 km zum Sportstudio mit dem Auto gefahren, weil der Fußweg mich stets an der hinteren Bahnhofseite entlangführt. Immer wieder vorbei an den gleichen bepissten Ecken, die im Sommer jämmerlich stinken, so daß man sich im Winter den Frost herbeiwünscht, der die Lachen zu einem gelben Eisbelag gefrieren läßt. Die immergleichen Junkies, die einen anbetteln, die Alkoholiker, die im Zorn oder aus Freude oder aus Gründen ihre Glasflaschen zu Scherben hauen, die dann dort liegen, sich über Meter hinweg einfach anbrüllen, weil das einfacher ist als aufeinander zuzuwanken, auch wenn man mehrfach nichts versteht und mit "Hä? Watt?" nachfragen muß. Ich kann das einfach nicht mehr haben, schon gar nicht, wenn ich nach 21:30 Uhr vom Sport völlig erschöpft bin und nur noch heim will. Ja, dann bin ich Umweltsau, dann fahre ich die paar Meter, weil sich an der bepissten und alkoholisierten Gehstrecke einfach nichts ändern wird und weil ich keine Lust habe, einen Umweg zu gehen, nur um dann durch den Bahnhof durch anderen finsteren Gestalten zu begegnen.
- - -
An manchen Tagen stößt mir die Welt einfach übel auf.
- - -
Menschen, die extrovertierte Rampensäue sind, vielleicht mit etwas musikalischem Talent gesegnet, aber noch mehr mit dem gerade angesagten Attributen, dem erforderlichen Quentchen Schönheit und scheiß auf Intelligenz, wer braucht die schon, wenn man dann Kohle auf dem Konto hat, die werden bewundert und um die reißt man sich, da werfen Teenies ihre Höschen auf die Bühne und kaufen von ihrem mickrigen Taschengeld wertlosen Tand, der den da oben noch reicher macht.
Oder Fußballspieler. Das singuläre, sportliche Talent wird belohnt wie kaum etwas. Vorbilder sind die doch schon lange nicht mehr. Werden aber traurigerweise trotzdem als solche genommen. Bis spätestens nach dem 5. Fehltritt die Pressehyäne sich auf sie alle stürzt und lebendigen Leibes zerfleischt. Naja.
Und dann so Nerds, die vielleicht auch singuläre Talente haben, vielleicht so Maschinenbauer, über deren pickeliges Gesicht wir uns gerne lustig gemacht haben oder über ihre mausgraue Kleidung und die erfinden dann irgendwas Supertolles, das unser Leben leichter oder sicherer macht, aber in Bereichen, die außerhalb von iPhones liegen und die kennt keiner und niemand würde sie bewundern.
Oder die Leute, die sich engagieren, für die Umwelt, für Soziales, für Gerechtigkeit. Keiner guckt denen hinterher oder will so sein wie die. Man guckt dem dicken Bonzenwagen hinterher oder dem roten Sportflitzer.
Und diese Leute führen ein so hermetisch abgeschirmtes Leben, aber sie bestimmen unseren Alltag, bestimmen, ob wir Arbeit haben oder nicht, was wir im Fernsehen konsumieren dürfen oder nicht, was wir für erstrebenswert halten und was nicht.
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In letzter Zeit häufiger mit den öffentlichen Verkehrsmitteln innerstädtisch gefahren, aus rein praktischen Gründen, denn die planbarkeit ist besser als am frühen Morgen, wo jede Minute kostbar ist, 15 Minuten Sicherheitspuffer für eventuellen Stau mit einzukalkulieren. Dabei gesehen, wie arm diese Stadt tatsächlich ist, wie arm die Leute, die mit der Straßenbahn unterwegs sind. Manchmal die gleichen Leute wiedererkannt. Verlebte Gesichter, Menschen in grau. Ohne Chancen.
Plankton. Krill. Und ich einer von vielen.
Dann aber wieder aus kompletter Abneigung die weniger als 2 km zum Sportstudio mit dem Auto gefahren, weil der Fußweg mich stets an der hinteren Bahnhofseite entlangführt. Immer wieder vorbei an den gleichen bepissten Ecken, die im Sommer jämmerlich stinken, so daß man sich im Winter den Frost herbeiwünscht, der die Lachen zu einem gelben Eisbelag gefrieren läßt. Die immergleichen Junkies, die einen anbetteln, die Alkoholiker, die im Zorn oder aus Freude oder aus Gründen ihre Glasflaschen zu Scherben hauen, die dann dort liegen, sich über Meter hinweg einfach anbrüllen, weil das einfacher ist als aufeinander zuzuwanken, auch wenn man mehrfach nichts versteht und mit "Hä? Watt?" nachfragen muß. Ich kann das einfach nicht mehr haben, schon gar nicht, wenn ich nach 21:30 Uhr vom Sport völlig erschöpft bin und nur noch heim will. Ja, dann bin ich Umweltsau, dann fahre ich die paar Meter, weil sich an der bepissten und alkoholisierten Gehstrecke einfach nichts ändern wird und weil ich keine Lust habe, einen Umweg zu gehen, nur um dann durch den Bahnhof durch anderen finsteren Gestalten zu begegnen.
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An manchen Tagen stößt mir die Welt einfach übel auf.
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Montag, 16. Januar 2012
[die Kehrseite]
midori, 18:13h
Am Anfang war alles easy.
Ich liebte den Sport, das Tanzen war nur so eine Art Sahnehäubchen obendrauf, das ich leicht nach zwei Stunden Fitnessbude noch auf einer halben Pohälfte absolvieren konnte. Aber mit den Jahren, die es mittlerweile doch schon sind, hat sich alles verändert.
Das Tanzen wurde mehr, der Sport wurde weniger.
Und die Ansprüche stiegen auch. Nun ging Sport vor dem Tanzen nicht mehr, denn man brauchte Körperspannung und keine müden Arme oder Beine. Nach dem Tanzen ging Sport meistens nicht mehr, weil es spät am Abend in der Woche war.
Nach dem dritten Tanzlehrer war klar: Tanzen ist eine Lebensaufgabe. Man lernt nicht irgendwas und kann das dann. Man muß bereit sein, das vorhandene Wissen immer wieder in Frage zu stellen, Dinge aus einer komplett neuen Richtung zu sehen, Gewohnheiten aufzugeben, neu zu lernen, lernen, lernen. Tanzen ist eine Herausforderung auf ganzer Linie. Man muß detailverliebt sein und einen nerdigen Hang zu solchen Details haben, denn als Erwachsener erschließen sich einem die Dinge nicht mehr selbstverständlich. Und man muß eben auch demütig sein.
Seit September nun also Verein.
Gut war, daß die Atmosphäre dort angenehm und freundlich ist. Aber es ist tatsächlich so, daß auch Leistungsbereitschaft vorausgesetzt wird. Man startet ja schließlich für den Verein und mehrt dessen Ruhm und Ehre. Und starten sollte man, sonst gehört man dort nicht hin. Und irgendwie wollen wir ja auch, also weiterkommen, aber nicht unbedingt dieses Wettbewerbsding.
Nun sind wir aber drin und der Sog der Spirale aus Wollen und Sollen entfaltet sich.
Im Winter ist es ja nicht weiter schlimm, denn wenn man an regnerischen und trüben Tagen seine Freizeit in fensterlosen Hallen verbringt, dort, wo die Konsensfarbe aller Trainierender das einheitliche Schwarz ist, dann fragt auch keiner nach, warum man so blaß und müde aussieht. Aber dann kommen so Tage wie heute und ich denke: Sonne! Was ist, wenn die Wochenenden sonnig werden? Was ist, wenn andere im Biergarten sitzen oder an der Seenplatte joggen und ich stehe dann in einer fensterlosen Halle?
Nicht ohne Grund startet die Saison im Herbst und endet vor dem Sommer. Aber das Training geht weiter.
"Wir tanzen weiter, denn sonst sind wir allein", sagt Gerde, die mit ihrem Mann mit 73 Jahren noch durch die Lande tingelt und Turniere tanzt. "Wir haben durch das Tanzen unseren ganzen sonstigen Freundeskreis verloren und so haben wir wenigstens noch jede Menge Kontakt", gibt sie offen zu.
Wahrscheinlich ist das irgendwann so, wenn man es lange, zu lange?, macht. Dann gibt es nicht mehr viel außerhalb dessen.
Dann sehe ich unsere Trainer. Kinderlos. Beide arbeiten bei einer Behörde. Der Feierabend: Training. Das Wochenende: Privatstunden geben oder nehmen, um das Geld zu verdienen für die Fahrten zu den Turnieren, die Hotels, die Kleider, Frack, Schuhe, Styling. Tanzen ist ein teurer Sport. Das merken wir auch ganz deutlich. Und am unteren Ende der Hackordnung verdient man nicht, da zahlt man erstmal.
Ich frage mich, ob die Trainer überhaupt noch Freunde haben. Und dann gibt es ja andere Trainer, die fünf Klassen höher, die jetten dann nur noch in der Weltgeschichte herum, heute Rom, morgen Tokio, da kostet Dich dann schon der Handschlag und das Guten Tag richtig viel Geld.
"Es gibt Leute, die sagen, alleine um die Linksdrehung richtig zu lernen habe ich den Gegenwert eines Kleinwagens hingelegt", erzählt Gerda.
Ich bin gespalten. Das Wollen ist da, aber das Sollen macht mir Sorge. Und auch, daß das Tanzen offenbar so nichts neben sich dulden mag, wenn man es ernsthafter betreiben will.
Schon jetzt vermisse ich Dinge. Ins Kino gehen - schon ewig nicht mehr gemacht. Sommerabende auf dem Balkon waren auch sehr selten im letzten Jahr. Und Shoppen gehen? Unvorstellbar geworden. Wann? Und vor allem: wovon?
Vor allem die Zeit scheint zwischen den Fingern zu zerrinnen, Zeit für uns miteinander, Zeit für die Kätzchen, Zeit für Freundschaften und Zeit für meine anderen sportlichen Leidenschaften, Zeit zum Lesen, Zeit zum Musikhören.
Tanzen essen Leben auf. Das trifft es wohl.
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Ich liebte den Sport, das Tanzen war nur so eine Art Sahnehäubchen obendrauf, das ich leicht nach zwei Stunden Fitnessbude noch auf einer halben Pohälfte absolvieren konnte. Aber mit den Jahren, die es mittlerweile doch schon sind, hat sich alles verändert.
Das Tanzen wurde mehr, der Sport wurde weniger.
Und die Ansprüche stiegen auch. Nun ging Sport vor dem Tanzen nicht mehr, denn man brauchte Körperspannung und keine müden Arme oder Beine. Nach dem Tanzen ging Sport meistens nicht mehr, weil es spät am Abend in der Woche war.
Nach dem dritten Tanzlehrer war klar: Tanzen ist eine Lebensaufgabe. Man lernt nicht irgendwas und kann das dann. Man muß bereit sein, das vorhandene Wissen immer wieder in Frage zu stellen, Dinge aus einer komplett neuen Richtung zu sehen, Gewohnheiten aufzugeben, neu zu lernen, lernen, lernen. Tanzen ist eine Herausforderung auf ganzer Linie. Man muß detailverliebt sein und einen nerdigen Hang zu solchen Details haben, denn als Erwachsener erschließen sich einem die Dinge nicht mehr selbstverständlich. Und man muß eben auch demütig sein.
Seit September nun also Verein.
Gut war, daß die Atmosphäre dort angenehm und freundlich ist. Aber es ist tatsächlich so, daß auch Leistungsbereitschaft vorausgesetzt wird. Man startet ja schließlich für den Verein und mehrt dessen Ruhm und Ehre. Und starten sollte man, sonst gehört man dort nicht hin. Und irgendwie wollen wir ja auch, also weiterkommen, aber nicht unbedingt dieses Wettbewerbsding.
Nun sind wir aber drin und der Sog der Spirale aus Wollen und Sollen entfaltet sich.
Im Winter ist es ja nicht weiter schlimm, denn wenn man an regnerischen und trüben Tagen seine Freizeit in fensterlosen Hallen verbringt, dort, wo die Konsensfarbe aller Trainierender das einheitliche Schwarz ist, dann fragt auch keiner nach, warum man so blaß und müde aussieht. Aber dann kommen so Tage wie heute und ich denke: Sonne! Was ist, wenn die Wochenenden sonnig werden? Was ist, wenn andere im Biergarten sitzen oder an der Seenplatte joggen und ich stehe dann in einer fensterlosen Halle?
Nicht ohne Grund startet die Saison im Herbst und endet vor dem Sommer. Aber das Training geht weiter.
"Wir tanzen weiter, denn sonst sind wir allein", sagt Gerde, die mit ihrem Mann mit 73 Jahren noch durch die Lande tingelt und Turniere tanzt. "Wir haben durch das Tanzen unseren ganzen sonstigen Freundeskreis verloren und so haben wir wenigstens noch jede Menge Kontakt", gibt sie offen zu.
Wahrscheinlich ist das irgendwann so, wenn man es lange, zu lange?, macht. Dann gibt es nicht mehr viel außerhalb dessen.
Dann sehe ich unsere Trainer. Kinderlos. Beide arbeiten bei einer Behörde. Der Feierabend: Training. Das Wochenende: Privatstunden geben oder nehmen, um das Geld zu verdienen für die Fahrten zu den Turnieren, die Hotels, die Kleider, Frack, Schuhe, Styling. Tanzen ist ein teurer Sport. Das merken wir auch ganz deutlich. Und am unteren Ende der Hackordnung verdient man nicht, da zahlt man erstmal.
Ich frage mich, ob die Trainer überhaupt noch Freunde haben. Und dann gibt es ja andere Trainer, die fünf Klassen höher, die jetten dann nur noch in der Weltgeschichte herum, heute Rom, morgen Tokio, da kostet Dich dann schon der Handschlag und das Guten Tag richtig viel Geld.
"Es gibt Leute, die sagen, alleine um die Linksdrehung richtig zu lernen habe ich den Gegenwert eines Kleinwagens hingelegt", erzählt Gerda.
Ich bin gespalten. Das Wollen ist da, aber das Sollen macht mir Sorge. Und auch, daß das Tanzen offenbar so nichts neben sich dulden mag, wenn man es ernsthafter betreiben will.
Schon jetzt vermisse ich Dinge. Ins Kino gehen - schon ewig nicht mehr gemacht. Sommerabende auf dem Balkon waren auch sehr selten im letzten Jahr. Und Shoppen gehen? Unvorstellbar geworden. Wann? Und vor allem: wovon?
Vor allem die Zeit scheint zwischen den Fingern zu zerrinnen, Zeit für uns miteinander, Zeit für die Kätzchen, Zeit für Freundschaften und Zeit für meine anderen sportlichen Leidenschaften, Zeit zum Lesen, Zeit zum Musikhören.
Tanzen essen Leben auf. Das trifft es wohl.
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