Montag, 14. Juli 2014
[krank]
"Wie hast Du es eigentlich geschafft, Deine Depressionen loszuwerden?" hat mich ein alter Bekannter vor längerer Zeit einmal gefragt.
Wie es meine Art ist, habe ich alles aufgelistet, was man tun kann gegen dieses lähmende Fehlen von Lebensenergie, aber erst letzte Woche geisterte dann diese Antwort in meinem Kopf:
Ich bin sie nie losgeworden, sie sind immer noch da, manchmal präsenter, manchmal weiter weg. Aber wenn ich die letzten 18 Monate Revue passieren lasse, dann sind da nur sehr, sehr wenige Zeitpunkte erinnerlich, zu denen ich vielleicht hätte sagen können "es geht mir gut", also ehrlich und ungelogen.

Der letzte Morgen, an dem ich nicht müde und zerschlagen aufgewacht bin: im letzten Jahr, ein echtes Highlight in meinem Leben - und ich wüßte nicht einmal, wie das zustandekam, sonst würde ich es wiederholen.
Der letzte Tag, an dem mir nicht etliche Gedanken durch den Kopf gingen, was an mir und meinem Leben schwierig, niederdrückend, zum Verzweifeln ist: keine Ahnung.
Ich bin sie nie losgeworden, aber trotzdem lebe ich, trotze ich dem Leben, manchmal zornig, manchmal kindisch, manchmal entgegen aller Vernunft, ein paar Dinge ab, von denen ich mir verspreche, sie könnten es aufmöbeln. Tanzen. Essen. Sport.
Aus der früheren Erstarrung bin ich in Bewegung gekommen. Das ist gut und auch nicht gut. Sie ist ein Stück mehr Gesundheit, aber auch Flucht und zeitweise Droge - mittlerweile übertreibe ich es aber nicht mehr so sehr.
Mein Radius ist größer geworden, aber immer noch nicht groß genug, dass ich beispielsweise mehr als 1-2 Tage von daheim wegfahren wollen / können würde.
Mein Verständnis für das, was mir wie eine bleierne Kugel am Bein hängt und mich an vielem hindert, ist größer geworden, aber mit Rationalität alleine kann man so eine Bleikugel nicht wegdenken. Ich reise im Kopf, oder auch zweiter Hand, indem ich lese, was andere beim Reisen erleben. Das reicht mir meistens. Aber das Meer aus meiner Kindheit vermisse ich trotzdem. Aber in vielem kann ich mich nicht stellen, dem Leben nicht mit seinen täglichen und gelegentlichen Herausforderungen, schwierigen Situationen, Konflikten. Der Mann sagt, ich habe keine Grenze zwischen mir und der Welt. Alles kommt ohne Filter an mich heran. Ich könne Situationen nicht versachlichen, sie würden stets mein Selbst in Frage stellen.
Seit ein paar Jahren fühle ich mich unfähig, dickere Bücher zu lesen, das längere Konzentrieren fällt mir schwer, auch im Beruf, mein Geist ist fahrig. Der Mann liest mir abends oft vor und das ist ein großes Glück für mich.
Auch die Muße zum kontemplativen Musikhören fehlt, doch immerhin habe ich es geschafft, dem Discogedudel des Fitness-Studios zu entkommen. Ich genieße die Stille in meinem Leben, wenn ich zu Hause bin.
Ich mag nichts planen, weil ich schon zu Beginn immer das Scheitern im Auge habe.
Mein Leben ist angefüllt mit Aktivitäten und das tut vielleicht ganz gut, dieses Gefühl, dass die Maschine läuft und nicht mehr in Verzweiflung stillsteht, auch wenn das Laufen an sich nicht gleichbedeutend ist mit Freude und Lebensenergie, vielmehr vielleicht der Angst entgegenwirkt, nichts wirklich geschafft zu haben.
Mein Lebensthema ist das "nicht dazugehören", nicht können und nicht wollen, je nachdem.

Nein, geschafft habe ich es nicht, sie loszuwerden. Aber danke, es geht trotzdem.

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