Montag, 14. April 2014
[ja? nein? jein?]
midori, 18:04h
Was macht man, wenn ein anfängliches Hobby sich verselbständigt und Eigendynamik entwickelt?
Was macht man, wenn man einerseits getrieben ist, andererseits aber voller Zweifel?
Vor etwa 2,5 Jahren sind wir gewechselt. Von der Tanzschule in den Tanzsportverein.
Unser Wunsch war klar: wir wollten das Tanzen besser erlernen. Besser als es in der Tanzschule möglich ist, bessere Trainer, bessere Trainingsmöglichkeiten.
Die bitteren Pillen, die es dabei zu schlucken gab, wie etwa Vereinsleben und Antritt bei Turnieren, ließen uns länger zögern, aber es gab keine andere Möglichkeit, unseren Wunsch zu erfüllen und so nahmen wir diese in Kauf.
Zu Beginn hatten wir ja auch wirklich Null Ahnung, wie es so im Tanzsport läuft. Man beginnt, egal auf welchem Niveau man in der Tanzschule bereits getanzt hat, mit allem nochmal von vorne. Kein Schritt bleibt wie er war, kein inneres Konzept von Bewegung und/oder Körperhaltung bleibt erhalten. Kaum glaubt man, etwas verstanden zu haben, erklärt einem der Trainer, dass man lediglich eine weitere Stufe des Unvermögens erreicht habe und dass man nun das eigene Konzept wiederum über Bord werfen muss, um die nächste Stufe zu erklimmen.
Über die Jahre hat uns dieser Lernprozeß immer wieder fasziniert und bei der Stange gehalten. Während wir eigentlich gar nicht so bewußt gemerkt haben, was sich alles verändert, sind wir schneller als uns lieb war in die zweithöchste Amateurklasse aufgestiegen. Tatsächlich war dies mehr ein Versehen und nicht beabsichtigt, aber so spielt das Leben dann eben.
Und genau da beginnt unser Problem.
Ja, wir sind irgendwie gut und talentiert, sonst wäre es ja nicht so gekommen. Ja, es lässt uns irgendwie nicht los, aber tatsächlich ist es komplexer.
Ich für meinen Teil leide ja an einem Selbstwertgefühl im Negativbereich, das sich zuweilen mit kindlichem Trotz, gerne aber stets mit Perfektionswillem (man will ja nicht negativ auffallen!) und gerne Ungeduld paart. So sehr ich mich also am Lernen an sich erfreue, so sehr leide ich unter meinem eigenen Unvermögen, Dinge sofort umzusetzen. Das Üben als Prozeß mit vielen Fehlversuchen versetzt mir derart viele innere Stiche der gefühlten Niederlagen, dass das Training regelmäßig im Streit mündet, was sehr unschön ist, denn mein Trainingspartner ist ja gleichzeitig mein Lebenspartner und unterliegt ja denselben Gesetzmäßigkeiten. Das bedeutet, dass auch er nicht alles sofort kann und bestimmte Dinge nur dann funktionieren, wenn tatsächlich beide alles richtig machen. Bis es soweit ist, haben wir uns aber bisweilen schon in einer stetigen Abwärtsspirale in Konflikten verstrickt, dass alles einfach nur noch mühselig ist und wir uns fragen, warum wir das alles einfach machen.
Es folgen dann lange Diskussionen, in denen alles in Frage gestellt wird, an deren Ende bisher immer die Schlußfolgerung stand, dass wir weitermachen, dass wir nicht wissen warum, aber dass wir es nicht aufgeben wollen.
Ein weiterer Stressfaktor sind die Turniere. Turniere sind im Grunde die einzige Möglichkeit, den eigenen Fortschritt im Vergleich zu anderen überhaupt realistisch einzuschätzen - man sieht sich selbst ja nie tanzen und ein Gefühl dafür, wie das eigentlich aussieht, gibt es nicht. Man fährt also auf so ein Turnier und sieht dann da Paare und denkt "Wahnsinn, wie toll die tanzen". Häufig haben wir die tollen Paare dann geschlagen und nicht wirklich gewußt, warum, denn auch der Mann hat nicht das ausgeprägteste Gefühl, dass er einfach super ist.
Ganz im Gegensatz zu manch anderen Leuten, die diesem Sport nachgehen. Mal ehrlich: wir sind doch alle erwachsen in unserer Altersklasse, gestandene Leute. Aber manche sind derartige, ich sag es einfach mal: Lackaffen, Großtuer, Rampensäue, dass mir der geistige Mageninhalt hochkommt. Emotional bin ich aber in der Regel komplett eingeschüchtert von sowas.
Entsprechend unentspannt läuft dann so ein Turniertag ab. Es muss ja alles mehr oder weniger perfekt sein. Ich würde es ja nicht wagen, mit schmutzigen Fingernägeln oder nachlässigem Makeup da aufzulaufen oder mit einer blöden Frisur. Andere können das, die sind irgendwie entspannter. Selbst auf Meisterschaften habe ich Frauen gesehen, die aussahen, als hätten sie der Termin eigentlich verschwitzt und sich statt des Putzkittels schnell mal die Robe übergeworfen. Ich kann das nicht.
Aber ich kann so manches andere auch nicht.
Lächeln zum Beispiel. Ich bräuchte einen Mundwinkelexpander, denn das Lächeln hält einfach nicht und fällt herunter. Wenn ich versuche ein lyrisches Gesicht zu machen, sieht es genervt aus. Wenn ich außer Atem bin, sehe ich genervt aus. Wenn ich gar kein Gesicht mache, sehe ich genervt aus. Nach jedem Tanz sehe ich aus wie eine schnippische Olle, die ihrem Mann gleich Shit gibt, weil er einen Fehler gemacht hat.
Das habe ich mir allerdings abgewöhnt. Beim Turnier halte ich die Klappe. Beim Turnier wird geliefert und fertig. Ohnehin bin ich so nervös und so mit mir beschäftigt, dass ich um mich herum kaum etwas wahrnehme.
Nach dem Turnier habe ich in der Regel Migräne, Rückenschmerzen, Unterleibsschmerzen und fühle mich wie vom Bus überrollt, obwohl ich sportlich gesehen eigentlich keine große Leistung erbracht habe. Der innere Stress frisst einfach alles weg.
Damit kann der Mann gelassener umgehen, aber er weiß, dass er zu Hause nur noch das Häufchen Elend namens Frau zusammenkehren darf; das findet er natürlich nicht so toll.
So haben wir die Anzahl der Turniere unauffällig auf ein Minimum beschränkt. Gerne wird das ja nicht gesehen. Bei Turnieren repräsentiert man ja den Verein. Aber nicht nur den. Wir sind ja sozusagen die Pferdchen unserer Trainer und die schicken uns ins Rennen gegen die Pferdchen anderer Trainer. Unsere Trainer konkurrieren also sozusagen mit anderen Trainern, wer da die besseren Pferdchen / Trainingsmethoden hat.
Entsprechend tritt man natürlich auch mit einer gewissen Erwartungshaltung an uns heran udn dazu gehört natürlich auch, wie man bei so einem Turnier "rüberkommt".
Es ist tatsächlich ein Machosport. Der Mann bzw. die Qualität des Herrn entscheidet über Erfolg und Misserfolg. Wenn Auftreten, Körpersprache, Mimik und Gestik den Siegeswillen demonstrieren und das tänzerische Können dann da noch passt, dann darf man vorne mitspielen. Oder man ist so gut, dass es darauf nicht ankommt. Bisher waren wir immer in der zweiten Gruppe. Also vorne mit dabei, aber ohne Schauspiel.
Nun sind wir aber in der zweithöchsten Amateurklasse. Das bedeutet, wir dürfen bei internationalen Wettbewerben starten. Und seitens unserer Trainer wird dies ausdrücklich erwünscht.
Das hat aber eine ganze Reihe Fragen aufgeworfen.
Soll man sich das antun? Wir stehen immerhin erst am Anfang dieser Klasse. Was soll man da eigentlich dann können oder welche Lernfelder gibt es zu bearbeiten? Konkurriert der jetzt ggf. zu erlernende schauspielerische Feinschliff nebst einwandfreier sauberer Technik nicht mit anderen Wünschen, wie z.B. andere Fähigkeiten auszubauen, die Choreographien variieren zu können, ausweichen zu können (man nennt das Floorcraft), neue Elemente zu lernen, das Spiel zwischen den Partnern (Führen und Folgen) zu verbessern.
Aus dem "wir wollen" ist plötzlich ein "wir müssen" geworden. Aus Tanzen wurde Training. Aus einem Hobby wurde ein Leistungssport.
Wo ist jetzt die Grenze, die wir ziehen müssen, um den Spaß nicht zu verlieren?
Dazu kommen noch weitere Aspekte. Wenn die Leute im Verein mitbekommen, dass man nicht so tickt wie sie (Turniere sind toll und Gewinnen ist noch toller), trifft man auf Unverständnis.
Wir schätzen unsere Trainer sehr und irgendwie wollen wir sie auch nicht enttäuschen, andererseits aber sind wir ja erwachsen und wollen nicht nach deren Pfeife galoppieren.
So, wie wir jetzt tanzen, gibt es kein zurück mehr in die Tanzschule. Ist der Gaumen erstmal versaut, isst Du auch nicht mehr täglich an der Pommesbude, so ist es einfach.
Aber das Tanzen frisst auch Ressourcen. Es braucht Zeit, Planung, Privatstunden, Ausstattung (Schuhe, Kleid, Frack, Trainingsklamotten, Workshops), Reisezeit, Vorbereitung auf Turniere (mental und auch sonst). Es ist ein teurer Sport, keine Frage.
Aber der Mann und ich haben jeweils noch ein anderes Hobby, das wir nicht an den Nagel hängen wollen / können. Auch hier sind wir irgendwie getriebene.
Es gibt aber Leute, die werden durch gar nichts getrieben und die finden das ok so. Zum Beispiel der Kollege vom Mann. Der hat dann Zeit für Dinge wie Grillen, mit den Nachbarn quatschen, Wochenendurlaub, Gartenarbeit usw, während wir zwischen Arbeit, Training, Haushalt, Stunden und anderen Hobbies immer nach Luft schnappen, jeden Tag als zu kurz empfinden und regelmäßig am Wochenende in uns zusammensinken oder am Wochenbeginn über Unwohlsein klagen, weil selbst am Wochenende keine Zeit mehr für Erholung übrig war.
Gesund ist das nicht. Aber wir können es nicht sein lassen.
Und just am Wochenende gab es wieder eine längere Diskussion, die sich daran entzündete, dass der Mann auf die Frage, was er als nächstes machen wolle mit „egal“ antwortete, was mich irgendwie aus der Fassung brachte und den Trainer in Erstaunen versetzte, woraufhin wir unsere Privatstundenzeit mit einer Standpauke verbrachten statt mit Unterricht, an die sich wieder eine längere Diskussion anschloss.
Keine 24 Stunden später aber entdeckte ich in einem sozialen Medium, dass ein Konkurrenzpaar, das wir stets hinter uns gelassen hatten, nun ebenfalls aufgestiegen ist und diesem Paar fehlt es wohl keineswegs an Selbstbewusstsein, denn trotz häufig mediokrer Platzierungen und mühsamer Aufstiegsarbeit waren sie sich nicht zu schade, sozusagen den nun bevorstehenden internationalen Durchbruch anzukündigen.
Lapidarer Kommentar des Mannes: „Na, dann können wir das ja auch machen, da werden wir wenigstens nicht Letzter.“
So sei es.
Was macht man, wenn man einerseits getrieben ist, andererseits aber voller Zweifel?
Vor etwa 2,5 Jahren sind wir gewechselt. Von der Tanzschule in den Tanzsportverein.
Unser Wunsch war klar: wir wollten das Tanzen besser erlernen. Besser als es in der Tanzschule möglich ist, bessere Trainer, bessere Trainingsmöglichkeiten.
Die bitteren Pillen, die es dabei zu schlucken gab, wie etwa Vereinsleben und Antritt bei Turnieren, ließen uns länger zögern, aber es gab keine andere Möglichkeit, unseren Wunsch zu erfüllen und so nahmen wir diese in Kauf.
Zu Beginn hatten wir ja auch wirklich Null Ahnung, wie es so im Tanzsport läuft. Man beginnt, egal auf welchem Niveau man in der Tanzschule bereits getanzt hat, mit allem nochmal von vorne. Kein Schritt bleibt wie er war, kein inneres Konzept von Bewegung und/oder Körperhaltung bleibt erhalten. Kaum glaubt man, etwas verstanden zu haben, erklärt einem der Trainer, dass man lediglich eine weitere Stufe des Unvermögens erreicht habe und dass man nun das eigene Konzept wiederum über Bord werfen muss, um die nächste Stufe zu erklimmen.
Über die Jahre hat uns dieser Lernprozeß immer wieder fasziniert und bei der Stange gehalten. Während wir eigentlich gar nicht so bewußt gemerkt haben, was sich alles verändert, sind wir schneller als uns lieb war in die zweithöchste Amateurklasse aufgestiegen. Tatsächlich war dies mehr ein Versehen und nicht beabsichtigt, aber so spielt das Leben dann eben.
Und genau da beginnt unser Problem.
Ja, wir sind irgendwie gut und talentiert, sonst wäre es ja nicht so gekommen. Ja, es lässt uns irgendwie nicht los, aber tatsächlich ist es komplexer.
Ich für meinen Teil leide ja an einem Selbstwertgefühl im Negativbereich, das sich zuweilen mit kindlichem Trotz, gerne aber stets mit Perfektionswillem (man will ja nicht negativ auffallen!) und gerne Ungeduld paart. So sehr ich mich also am Lernen an sich erfreue, so sehr leide ich unter meinem eigenen Unvermögen, Dinge sofort umzusetzen. Das Üben als Prozeß mit vielen Fehlversuchen versetzt mir derart viele innere Stiche der gefühlten Niederlagen, dass das Training regelmäßig im Streit mündet, was sehr unschön ist, denn mein Trainingspartner ist ja gleichzeitig mein Lebenspartner und unterliegt ja denselben Gesetzmäßigkeiten. Das bedeutet, dass auch er nicht alles sofort kann und bestimmte Dinge nur dann funktionieren, wenn tatsächlich beide alles richtig machen. Bis es soweit ist, haben wir uns aber bisweilen schon in einer stetigen Abwärtsspirale in Konflikten verstrickt, dass alles einfach nur noch mühselig ist und wir uns fragen, warum wir das alles einfach machen.
Es folgen dann lange Diskussionen, in denen alles in Frage gestellt wird, an deren Ende bisher immer die Schlußfolgerung stand, dass wir weitermachen, dass wir nicht wissen warum, aber dass wir es nicht aufgeben wollen.
Ein weiterer Stressfaktor sind die Turniere. Turniere sind im Grunde die einzige Möglichkeit, den eigenen Fortschritt im Vergleich zu anderen überhaupt realistisch einzuschätzen - man sieht sich selbst ja nie tanzen und ein Gefühl dafür, wie das eigentlich aussieht, gibt es nicht. Man fährt also auf so ein Turnier und sieht dann da Paare und denkt "Wahnsinn, wie toll die tanzen". Häufig haben wir die tollen Paare dann geschlagen und nicht wirklich gewußt, warum, denn auch der Mann hat nicht das ausgeprägteste Gefühl, dass er einfach super ist.
Ganz im Gegensatz zu manch anderen Leuten, die diesem Sport nachgehen. Mal ehrlich: wir sind doch alle erwachsen in unserer Altersklasse, gestandene Leute. Aber manche sind derartige, ich sag es einfach mal: Lackaffen, Großtuer, Rampensäue, dass mir der geistige Mageninhalt hochkommt. Emotional bin ich aber in der Regel komplett eingeschüchtert von sowas.
Entsprechend unentspannt läuft dann so ein Turniertag ab. Es muss ja alles mehr oder weniger perfekt sein. Ich würde es ja nicht wagen, mit schmutzigen Fingernägeln oder nachlässigem Makeup da aufzulaufen oder mit einer blöden Frisur. Andere können das, die sind irgendwie entspannter. Selbst auf Meisterschaften habe ich Frauen gesehen, die aussahen, als hätten sie der Termin eigentlich verschwitzt und sich statt des Putzkittels schnell mal die Robe übergeworfen. Ich kann das nicht.
Aber ich kann so manches andere auch nicht.
Lächeln zum Beispiel. Ich bräuchte einen Mundwinkelexpander, denn das Lächeln hält einfach nicht und fällt herunter. Wenn ich versuche ein lyrisches Gesicht zu machen, sieht es genervt aus. Wenn ich außer Atem bin, sehe ich genervt aus. Wenn ich gar kein Gesicht mache, sehe ich genervt aus. Nach jedem Tanz sehe ich aus wie eine schnippische Olle, die ihrem Mann gleich Shit gibt, weil er einen Fehler gemacht hat.
Das habe ich mir allerdings abgewöhnt. Beim Turnier halte ich die Klappe. Beim Turnier wird geliefert und fertig. Ohnehin bin ich so nervös und so mit mir beschäftigt, dass ich um mich herum kaum etwas wahrnehme.
Nach dem Turnier habe ich in der Regel Migräne, Rückenschmerzen, Unterleibsschmerzen und fühle mich wie vom Bus überrollt, obwohl ich sportlich gesehen eigentlich keine große Leistung erbracht habe. Der innere Stress frisst einfach alles weg.
Damit kann der Mann gelassener umgehen, aber er weiß, dass er zu Hause nur noch das Häufchen Elend namens Frau zusammenkehren darf; das findet er natürlich nicht so toll.
So haben wir die Anzahl der Turniere unauffällig auf ein Minimum beschränkt. Gerne wird das ja nicht gesehen. Bei Turnieren repräsentiert man ja den Verein. Aber nicht nur den. Wir sind ja sozusagen die Pferdchen unserer Trainer und die schicken uns ins Rennen gegen die Pferdchen anderer Trainer. Unsere Trainer konkurrieren also sozusagen mit anderen Trainern, wer da die besseren Pferdchen / Trainingsmethoden hat.
Entsprechend tritt man natürlich auch mit einer gewissen Erwartungshaltung an uns heran udn dazu gehört natürlich auch, wie man bei so einem Turnier "rüberkommt".
Es ist tatsächlich ein Machosport. Der Mann bzw. die Qualität des Herrn entscheidet über Erfolg und Misserfolg. Wenn Auftreten, Körpersprache, Mimik und Gestik den Siegeswillen demonstrieren und das tänzerische Können dann da noch passt, dann darf man vorne mitspielen. Oder man ist so gut, dass es darauf nicht ankommt. Bisher waren wir immer in der zweiten Gruppe. Also vorne mit dabei, aber ohne Schauspiel.
Nun sind wir aber in der zweithöchsten Amateurklasse. Das bedeutet, wir dürfen bei internationalen Wettbewerben starten. Und seitens unserer Trainer wird dies ausdrücklich erwünscht.
Das hat aber eine ganze Reihe Fragen aufgeworfen.
Soll man sich das antun? Wir stehen immerhin erst am Anfang dieser Klasse. Was soll man da eigentlich dann können oder welche Lernfelder gibt es zu bearbeiten? Konkurriert der jetzt ggf. zu erlernende schauspielerische Feinschliff nebst einwandfreier sauberer Technik nicht mit anderen Wünschen, wie z.B. andere Fähigkeiten auszubauen, die Choreographien variieren zu können, ausweichen zu können (man nennt das Floorcraft), neue Elemente zu lernen, das Spiel zwischen den Partnern (Führen und Folgen) zu verbessern.
Aus dem "wir wollen" ist plötzlich ein "wir müssen" geworden. Aus Tanzen wurde Training. Aus einem Hobby wurde ein Leistungssport.
Wo ist jetzt die Grenze, die wir ziehen müssen, um den Spaß nicht zu verlieren?
Dazu kommen noch weitere Aspekte. Wenn die Leute im Verein mitbekommen, dass man nicht so tickt wie sie (Turniere sind toll und Gewinnen ist noch toller), trifft man auf Unverständnis.
Wir schätzen unsere Trainer sehr und irgendwie wollen wir sie auch nicht enttäuschen, andererseits aber sind wir ja erwachsen und wollen nicht nach deren Pfeife galoppieren.
So, wie wir jetzt tanzen, gibt es kein zurück mehr in die Tanzschule. Ist der Gaumen erstmal versaut, isst Du auch nicht mehr täglich an der Pommesbude, so ist es einfach.
Aber das Tanzen frisst auch Ressourcen. Es braucht Zeit, Planung, Privatstunden, Ausstattung (Schuhe, Kleid, Frack, Trainingsklamotten, Workshops), Reisezeit, Vorbereitung auf Turniere (mental und auch sonst). Es ist ein teurer Sport, keine Frage.
Aber der Mann und ich haben jeweils noch ein anderes Hobby, das wir nicht an den Nagel hängen wollen / können. Auch hier sind wir irgendwie getriebene.
Es gibt aber Leute, die werden durch gar nichts getrieben und die finden das ok so. Zum Beispiel der Kollege vom Mann. Der hat dann Zeit für Dinge wie Grillen, mit den Nachbarn quatschen, Wochenendurlaub, Gartenarbeit usw, während wir zwischen Arbeit, Training, Haushalt, Stunden und anderen Hobbies immer nach Luft schnappen, jeden Tag als zu kurz empfinden und regelmäßig am Wochenende in uns zusammensinken oder am Wochenbeginn über Unwohlsein klagen, weil selbst am Wochenende keine Zeit mehr für Erholung übrig war.
Gesund ist das nicht. Aber wir können es nicht sein lassen.
Und just am Wochenende gab es wieder eine längere Diskussion, die sich daran entzündete, dass der Mann auf die Frage, was er als nächstes machen wolle mit „egal“ antwortete, was mich irgendwie aus der Fassung brachte und den Trainer in Erstaunen versetzte, woraufhin wir unsere Privatstundenzeit mit einer Standpauke verbrachten statt mit Unterricht, an die sich wieder eine längere Diskussion anschloss.
Keine 24 Stunden später aber entdeckte ich in einem sozialen Medium, dass ein Konkurrenzpaar, das wir stets hinter uns gelassen hatten, nun ebenfalls aufgestiegen ist und diesem Paar fehlt es wohl keineswegs an Selbstbewusstsein, denn trotz häufig mediokrer Platzierungen und mühsamer Aufstiegsarbeit waren sie sich nicht zu schade, sozusagen den nun bevorstehenden internationalen Durchbruch anzukündigen.
Lapidarer Kommentar des Mannes: „Na, dann können wir das ja auch machen, da werden wir wenigstens nicht Letzter.“
So sei es.
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