Samstag, 4. Februar 2012
[So ist das also...]
Da denken Sie vielleicht, all der Glitzer und die schönen bunten Kleider und alles wunderbar, das mit dem Turniertanzen, aber heute wurde dann mit einem Din A4 Ausdruck eigentlich die Absurdität des ganzen überdeutlich. Aber wo beginnen?
Irgendwo tief im Westen, aber dann doch ab vom Schuß, dort, wo nach 500 Metern dann die Wiese beginnt und die Landstraße eine Schneise durch die graue Winterszenerie zieht, dort, in der Schulaula einer Fördereinrichtung, dort hing dieser Zettel.
Aber vorher mußten wir erstmal da rein. Es hatte wohl keiner daran gedacht, Wegweiser aufzuhängen, also irrten wir zunächst etwas herum. Dann waren wir zu früh (Anfängerfehler!) und es gab noch keine Startnummer.
Vereinsmitglieder dekorierten, Kinderzeugs wurde mit rotem Samt abgedeckt, Kunststoffbehälter voller selbstgebackener Kuchen stapelten sich am Buffet, unbeholfene ältere Herren waren mit dem Arrangieren überfordert, es dauerte gefühlte Stunden, bis ich einen geschmacklich äußerst fragwürdigen Kaffee bekam, alles ist etwas provisorisch bei solchen Veranstaltungen, aber das hat auch einen gewissen Charme. Und dann der Zettel: "Tänzermenü 2,50 €", darunter: "Würstchen mit Kartoffelsalat". Das, meine verehrte Damen und Herren, ist offenbar die Grundlage des tänzerischen Erfolgs. Gesunde Ernährung? Frische Lebensmittel? Was soll der neumodische Kram? Kuchen, die seit Generationen, also seit ich mich entsinnen kann, im Orbit des Rezeptetauschens kreisen, darunter Klassiker wie Käsekuchen mit Mandarinenstückchen (heute in zwei Varianten), Rhabarber mit Baiserhaube (leider zu süß), Butterkuchen mit Mandeln (leider zu dünn), Brötchen mit Käse, Schinken oder Salami und der vereinsübergreifenden Verzierung aus gefächerten Gürkchen und eben der Kartoffelsalat mit Würstchen.
Rentner eiern mit Gehwagen oder ohne an ihre Plätze, eigentlich, so denke ich, ein richtiger Pro-Tipp für ältere Leute: günstiger Kuchen und Show-Programm für den ganzen Tag, und das ganz ohne Eintritt.

Umkleide ist in der Schulkantine. Noch haben wir es gut, in der untersten Klasse starten die Turniere zu Beginn des Tages, das heißt, man hat noch freie Auswahl, wo man sich breit machen kann. Auch gut: es gibt noch nicht so viele Zuschauer, die dem bizarren Treiben beiwohnen möchten, die Kleiderordnung verbietet Glitzer und Zierrat, die dargebotenen Leistungen haben auch noch Potenzial nach oben, um das mal so zu sagen.

Und dann merkt man auch deutlich seine Lücken im Showteil: ja, wohin verbeugen wir uns eigentlich? Und wie, verdammt, verbeugt man sich gekonnt? Andere Paare machen richtig Tamtam mit Drehungen und Hastenichtgesehen, wenn Sie mich fragen dem Rahmen und der Klasse nicht recht angemessen, aber wer's mag.... Und dann Lächeln, Lächeln, hat die Trainerin gesagt, nicht: böse gucken. Und nicht: Augen verdrehen, wenn man gerade wieder mitbekommt, daß der Mann einen Blackout hat und man denkt, omg, was tanzt der denn jetzt, oh nein, jetzt die Ecke, was wird er wohl tun, und oh, nein, was war das denn jetzt, omg, omg, omg, wenn das mal gut geht. Nein, ich soll freundlich gucken und lächeln. Habe ich auch gemacht. Dachte ich. Der Vereinskollege, der zufällig auch da war und eine Gruppe nach uns startete, meinte aber: nein. Scheint also ein Muskeln zu sein, der beim Tanzen nicht funktioniert. Noch nicht.

Alle sind ernsthaft bei der Sache, Turnierleiter, Beisitzer, Wertungsrichtiger, alles höchstwichtig. Keiner scheint zu merken, wie bizarr das ist, ich meine, wir sind hier am Rande der Welt sozusagen, ich habe die Haare schön, andere Frauen sind aufgetakelt wie zum Karneval, aber die Realität besteht aus Tänzermenü und Kantinenumkleide. Scheint aber keinen zu stören.

Und das ist vielleicht auch das Geheimnis des Ganzen. Viele Leute, die an solchen Veranstaltungen mitwirken und dem sportlichen Rahmen Leben einhauchen, eben mit Selbstgebackenem und indem sie ihre Oma mitbringen und andere die Kinder. Man macht es sich schön und deckt die Kaffeetafel und sei es eben mit Tänzermenü und man macht ein wenig Brimborium, damit auch Leute wie wir ein wenig das Gefühl haben, und sei es auch nur für kurze Zeit, im Rampenlicht gestanden zu haben. Einmarschieren, Verbeugen, Tanzen, Verbeugen, nochmal Tanzen, Verbeugen, Ausmarschieren, Siegerehrung, Posieren für das Foto mit der Urkunde und dem Geschenk - diesmal zum Glück kein Sekt! - fertig.
In der Runde danach Vereinskollegen anfeuern (muß ich auch noch üben und sei es nur, im richtigen Moment zu klatschen).

So ist das also.
Und nächste Woche nochmal.


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Vereinsparallelwelten...
Welche Stellung hat in diesen Kreisen eigentlich der wunderbare Film "Strictly Ballroom"? Ich bin ja schon mit 18 gleich wieder ausgestiegen (das "wozu brauchst du Abitur, wenn du tanzen kannst?" des Trainers ging mir ein paar Kilometer zu weit), habe aber seinerzeit im Kino Tränen gelacht.

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Ich muß zugeben, liebe kaltmamsell, daß ich diesen Film bisher nicht gesehen habe und die einzige Empfehlung hierzu kam von jemandem, der eigentlich keine rechte Ahnung vom Tanzen an sich hat, so ergibt sich also zwischen Film und meiner sportlichen Betätigung auf diesem Feld derzeit kein Zusammenhang. Vielleicht kann ich das ja demnächst ändern.

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