Donnerstag, 26. Januar 2012
[seltsame Welt]
Was für eine seltsame Welt, in der ich lebe.
Menschen, die extrovertierte Rampensäue sind, vielleicht mit etwas musikalischem Talent gesegnet, aber noch mehr mit dem gerade angesagten Attributen, dem erforderlichen Quentchen Schönheit und scheiß auf Intelligenz, wer braucht die schon, wenn man dann Kohle auf dem Konto hat, die werden bewundert und um die reißt man sich, da werfen Teenies ihre Höschen auf die Bühne und kaufen von ihrem mickrigen Taschengeld wertlosen Tand, der den da oben noch reicher macht.
Oder Fußballspieler. Das singuläre, sportliche Talent wird belohnt wie kaum etwas. Vorbilder sind die doch schon lange nicht mehr. Werden aber traurigerweise trotzdem als solche genommen. Bis spätestens nach dem 5. Fehltritt die Pressehyäne sich auf sie alle stürzt und lebendigen Leibes zerfleischt. Naja.

Und dann so Nerds, die vielleicht auch singuläre Talente haben, vielleicht so Maschinenbauer, über deren pickeliges Gesicht wir uns gerne lustig gemacht haben oder über ihre mausgraue Kleidung und die erfinden dann irgendwas Supertolles, das unser Leben leichter oder sicherer macht, aber in Bereichen, die außerhalb von iPhones liegen und die kennt keiner und niemand würde sie bewundern.
Oder die Leute, die sich engagieren, für die Umwelt, für Soziales, für Gerechtigkeit. Keiner guckt denen hinterher oder will so sein wie die. Man guckt dem dicken Bonzenwagen hinterher oder dem roten Sportflitzer.
Und diese Leute führen ein so hermetisch abgeschirmtes Leben, aber sie bestimmen unseren Alltag, bestimmen, ob wir Arbeit haben oder nicht, was wir im Fernsehen konsumieren dürfen oder nicht, was wir für erstrebenswert halten und was nicht.


- - -


In letzter Zeit häufiger mit den öffentlichen Verkehrsmitteln innerstädtisch gefahren, aus rein praktischen Gründen, denn die planbarkeit ist besser als am frühen Morgen, wo jede Minute kostbar ist, 15 Minuten Sicherheitspuffer für eventuellen Stau mit einzukalkulieren. Dabei gesehen, wie arm diese Stadt tatsächlich ist, wie arm die Leute, die mit der Straßenbahn unterwegs sind. Manchmal die gleichen Leute wiedererkannt. Verlebte Gesichter, Menschen in grau. Ohne Chancen.
Plankton. Krill. Und ich einer von vielen.

Dann aber wieder aus kompletter Abneigung die weniger als 2 km zum Sportstudio mit dem Auto gefahren, weil der Fußweg mich stets an der hinteren Bahnhofseite entlangführt. Immer wieder vorbei an den gleichen bepissten Ecken, die im Sommer jämmerlich stinken, so daß man sich im Winter den Frost herbeiwünscht, der die Lachen zu einem gelben Eisbelag gefrieren läßt. Die immergleichen Junkies, die einen anbetteln, die Alkoholiker, die im Zorn oder aus Freude oder aus Gründen ihre Glasflaschen zu Scherben hauen, die dann dort liegen, sich über Meter hinweg einfach anbrüllen, weil das einfacher ist als aufeinander zuzuwanken, auch wenn man mehrfach nichts versteht und mit "Hä? Watt?" nachfragen muß. Ich kann das einfach nicht mehr haben, schon gar nicht, wenn ich nach 21:30 Uhr vom Sport völlig erschöpft bin und nur noch heim will. Ja, dann bin ich Umweltsau, dann fahre ich die paar Meter, weil sich an der bepissten und alkoholisierten Gehstrecke einfach nichts ändern wird und weil ich keine Lust habe, einen Umweg zu gehen, nur um dann durch den Bahnhof durch anderen finsteren Gestalten zu begegnen.

- - -

An manchen Tagen stößt mir die Welt einfach übel auf.



- - -

... comment

 
Ich kann diesen Überdruss sehr gut nachvollziehen. Sowohl im Bezug auf den oberflächlichen Glitzerrummel als auch auf die Gescheiterten, denen alles egal ist oder die zu müde oder zu wütend sind, um sich dem Mainstream anzupassen. Manchmal gibt es Momente, in denen man das einfach nicht sehen will. Da ist man dann politisch unkorrekt, aber ich finde das nur menschlich.

Es ging mir auch schon oft so, dass ich stumm zu mir selbst sagte "Ach, lass mich in Frieden mit Deinem Scheiß!", wenn jemand auf mich zutrat und was wollte - einen Euro, eine Unterschrift für den "Tierschutz" oder ein weiteres ausgefülltes Umfrageblatt. Das sind die Leichen, die unsere profil- und rückgratlose Macher-Gesellschaft als Spur hinter sich her zieht. Stimmt, die Engagierten will keiner sehen, die Sonderlinge, Andersdenker und Protestierer. Und auch zum selber protestieren ist man manches Mal zu müde. Es überkommt einen die reine Misanthropie, der Ekel vor der eigenen Spezies. Und ich denke oft, zu Recht.

Die Frage ist, was tun damit? Sich verkriechen, sich sein eigenes kleines Biotop suchen? Oder sich doch abarbeiten an diesen Problemen, sobald man wieder mehr Kraft hat? Vielleicht beides...

Alles Gute!

... link  


... comment