Dienstag, 12. Juli 2011
[mehr Irrtümer über Sport]
In den letzten 12 Monaten habe ich in meinem Denken über Sport eine ziemliche Kehrtwende gemacht, die vielleicht längst fällig war. So ganz entwirrt ist dieser Knoten aus lauter neuen Informationen und abgeschnittenen Zöpfen nicht, aber ein paar interessante Zusammenhänge sind mir klargeworden.
Einer davon ist, daß man, will man Erfolg (wie auch immer man den definieren möchte) haben, dafür im Sport wirklich hart arbeiten muß. Ich meine nicht viel, sondern hart.
Vielleicht hätte ich damit Schwierigkeiten gehabt, so zu trainieren, wie ich es jetzt tue, wenn ich keinen Coach gehabt hätte, der mich an die Sache heranführt.
Denn: ich trainiere jetzt wie ein Mann.

Das Komische daran: die Rollenmuster machen gerade vor der Tür des Fitness-Studios nicht halt, nein, sie werden hier vielmehr in Beton gegossen.
Die Grundlagen sportlicher Erfolge liegen aber nicht in spezifisch männlichem oder weiblichen Training, sondern es gibt Dinge, die funktionieren, und Dinge, die funktionieren nicht, Dinge, die gesund sind, Dinge, die ungesund sind, Dinge, die einen weiterbringen und Beschäftigungstherapie, die Zeitverschwendung ist, wenn man darin nicht einen Zusatznutzen wie Spaß oder Lebenssinn findet.

In der Muckibude gibt es aber weiterhin die Aufteilung: Männer stemmen Eisen (und überfordern sich dabei gerne), wollen dicke Muckis, egal, ob sie funktionieren oder nicht. Frauen machen Problemzonengymnastik (und unterfordern sich dabei gerne) oder schieben stundenlange low intensity Cardio-Einheiten, weil sie hoffen, dadurch schlank und schön zu werden oder machen irgendwas, von dem sie glauben, dass es sie gesünder macht.

Ich glaube, ich habe auch lange damit gehadert, etwas zu tun, was so absolut unweiblich ist, so untypisch und so schwer in Einklang zu bringen mit einem Hang zu Glitzer und Makeup, ohne daß man sich gleich in die zu-blond-zu-braungebrannt-Schiene einreihen muß.

Aber wenn ich eins gelernt habe: wenn sich etwas ändern soll, muß man raus aus der Komfortzone, auch wenn es wehtut.
Und ist mir jetzt auch egal, ob die anderen mich belächeln oder denken, ich sei "krass drauf" - die haben ja nicht gesehen, wie ich mir jeden Liegestütz mit viel Flucherei und jeden Burpee erkämpft habe.

Mein Trainingspensum habe ich von vielleicht 12 bis 18 Stunden in der Woche stark heruntergefahren auf vielleicht maximal 6, oft auch weniger.
Wenn ich jetzt Frauen im Fitness-Studio sehe, die sich auf Crosstrainern abstrampeln oder in BOP-Kursen gegen ihre Problemzonen kämpfen, fühle ich mich irgendwie resigniert, weil man gegen die Werbemühle-Gehirnwäsche nicht ankommt.
Und langsam steige ich hinter das Geschäftsmodell all dieser Buden: sie verkaufen nichts, was funktionieren würde und lassen sich das schlechte Gewissen ihrer Kunden gut bezahlen, die ihren Mißerfolg nicht auf Falschinformation schieben, sondern auf die eigene Unzulänglichkeit.


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interessant, aber...
Liebe Midori, ich habe jetzt eine Weile überlegt, ob ich dazu was schreiben soll und wenn ja, dann was. Leider ist mir neulich ein wenig die Zeit davongerannt, so dass eine Diskussion hierzu nicht mehr möglich war, aber ansatzweise habe ich das eventuell schon gesagt.
Das, was Du Dir trainiert hast, wurde, wie Du schon sagtest von einem Trainer initiiert. Es ist das Ergebnis jahrelangen Trainings, das nun final damit gesteigert werden kann, dass Deine Muskeln die optimale Herausforderung bekommen, indem sie noch einmal gesteigerte Kraft-Ausdauer leisten. Dies ist einer der Grundsätze beim Training, dass muskuläre Kraft immer mehr Steigerung benötigt. Insofern: Glückwunsch, zum Kerlsdasein ;)
Man sollte sich aber davor hüten, hier alle Trainierenden in einen Topf zu werfen. Das ist, als hätte ein jeder das gleiche Essen zu verdauen, unabhängig von Alter, Statur, Geschlecht, Krankheiten.
Es gibt sicher viele, die genau diese Herausforderung benötigen und brauchen, aber eben nicht alle. An ähnlichem Punkt war ich sicher schon einige Male, aber wenn ich mit voll Power trainierte, hatte ich Muskeln, die ich nicht mehr haben wollte und einige Teilnehmerinnen wollen genau dies auch nicht unbedingt. Da gibt es auch schon Mecker, wenn zuviel Gewicht aufgelegt wird. Wie gesagt, auch hier individuell.
Unabhängig davon muss man dringend berücksichtigen, dass auch hier oft genug Einschränkungen durch Herz, Kreislauf, körperlicher Zustand bestehen.
Wenn jemand voll Power mag, soll er voll Power machen, aber sanfter muss nicht zwangsläufig schlechter sein und trifft einfach auch nicht jeden Typ. Für meinen Fall bin ich nicht scharf auf eine erneute Knie-OP und wenn ich es richtig mitbekomme, bist Du an diesem Punkt ja auch schon mal an der Grenze angelangt. Wenn Mutti nach Feierabend noch ein bischen BOP machen mag, ansonsten aber fertig ist vom Tag mit Arbeit und zwei Kindern, ist dies besser als nichts und sollte respektiert werden.

Was den sozialen Gesichtspunkt von Studios anbelangt. Sie bieten an, was angenommen und bezahlt wird: Den Traum von Schönheit, Jugend und Kraft. Ich denke, ein großer Teil der Trainierenden ist sich dessen irgendwie auch bewußt, aber die soziologische Komponente ist nicht ohne. Nie liefen die Trainingsräume im HF übrigens besser, als in der alten Konstellation, mit der das Gym direkt hinter der Mucki-Ecke stationiert war. Meine persönliche Meinung, aber die Pheromone haben gejuchzt bei soviel Konfrontation.

Letztendlich bewegen viele ihren mehr oder weniger trainierten Körper mit mehr oder weniger Ziel, aber wohl vor allem mit einem Grund in die Studios: mit dem Gefühl, etwas für sich zu tun. Und das ist meiner Meinung nach immer noch besser, als mit krummem Rücken in der Couch zu versacken.

Lieben Gruß!

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Ich find diesen Crossfit-Gedanken sehr spannend - alles, was ich sportlich gemacht habe/mache, hat mir dann am meisten Spaß gemacht, wenn's eine richtige Herausforderung war. Mit schnödem Gerätetraining im Fitnessstudio habe ich mich gelangweilt, nur joggen ist es auch nicht. Leider gibt es Crossfit anscheinend bislang nur an sehr wenigen Orten, sonst würde ich das sehr gerne mal ausprobieren.

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Crossfit ist ja tatsächlich noch sehr spärlich vertreten in D und die, die es anbieten, gehen häufig "all in" und lassen raushängen, daß sie die Härtesten sind, was dem Grundgedanken irgendwie ja auch zuwider läuft.
Unsere "Spartan Fit"-Gruppe wächst langsam und interessanterweise kommen mehr Frauen als Männer und wirklich jung ist dort auch keiner mehr. Kommense doch mal vorbei!

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Liebe Asa, lieben Dank für den Input erstmal!
Du hast auf jeden Fall damit Recht, daß jeder andere Bedürfnisse hat und nicht jeder volle Power gehen möchte oder gar kann.
Und ich möchte dem oder der, die sich nach einem harten Tag in einen Pilates-Kurs begeben, das nicht vermiesen, denn es kann genau das sein, was sie brauche, um sich wieder ein wenig aufzurichten.
Das, woran ich kratze, ist eher, daß viele (insbesondere Frauen) den Sport (gerade in der Fitnessbude) ja nicht betreiben, weil sie so großen Spaß daran haben. Die, die Spaß an ihrem Sport haben, die findet man häufiger draußen beim Laufen oder im Verein, wo der soziale Aspekt auch eine große Rolle spielt. Und Spaß unterstelle ich auch mal dort, wo andere Dinge eine Rolle spielen als die sogenannten "Problemzonen", z.B. beim Step oder bei Zumba (wobei ich das ja auch auf'm Kieker habe). Andere suchen nach Entspannung mit gleichzeitigem Kräftigungsaspekt (Yoga, Pilates). Und ich rede hire ja auch nicht vom Gesundheitssport für angeschlagene Best Ager (obwohl Crossfit ja gerade etwas für Leute jeden Alters und jeder Statur ist - es wir nur halt immer mit "gib volle Lotte" gleichgesetzt), sondern von dem, was für einigermaßen junge und gesunde Menschen etwas bringt. Das, was mich an den ganzen BOP-Kursen so aufregt, ist, daß das meiste, was dort gemacht wird, größtenteils ineffektiv bis gar ungesund ist (mal nicht davon gesprochen, daß die Stundenbilder mancher Trainer.... usw.).
Vielleicht ärgere ich mich auch so darüber, weil ich selbst so lange in dieser BOP-Tretmühle gefangen war. Gesteppt habe ich immer gerne, das war Fun, aber das Knie hat jetzt einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Ich sehe regelmäßig die Frauen mit "Problemzonen", die sich in den BOP-Kursen abmühen, in der Hoffnung, dort ein paar Pfunde zu verlieren. Es gibt auch die Cardio-Sklavinnen, die unendliche Stunden abreißen und trotz besten Willens einfach nicht abnehmen, weil zuviel Cortisol ihre Muskeln hat wegschmelzen lassen. Ich finde es furchtbar, wenn sie erzählen, daß sie ihre Gummibärchen abzählen. Ich frage mich, was sie sich von 500g-Hanteln versprechen und warum vermeintlich gesunde junge Frauen oder Männer nicht in der Lage sind, für 3x30 Sekunden Bankstütz zu machen.

Meinen eigenen Anspruch mag ich anderen da nicht aufdrücken, aber die Erkenntnis, daß weniger und anders bei mir tatsächlich mehr bewirkt hat als alles andere vorher, war schon beeindruckend.

Etwas "für sich tun" ist eine gute Motivation. Man sollte sich aber nicht belügen oder einlullen lassen, daß man an irgendwelchen (möglicherweise teuren) Geräten (Vibrationsplatte, Unterdrucktraining) Ziele (Kraft, Stabilität, konditionelle Verbesserungen) erreicht, die einem ausgewogenen funktionalen Training irgendwie überlegen wären. Und "ganz leicht" ist es eben nicht, so wie manche es einem weismachen möchten.

(würde die Diskussion gerne fortsetzen, bin aber so unstrukturiert momentan...)

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