Montag, 6. Dezember 2010
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midori, 13:42h
Gestern anläßlich einer Assistenzstunde in der Tanzschule gewesen und dort den NT am Eingang getroffen, wo er von Neuankömmlingen die Kursgebühr kassierte.
Ich gesellte mich zu ihm und wir sprachen kurz miteinander und während des Gesprächs ließ ich einfließen, daß Nessie*, eine äußerst talentierte junge Dame, die auch in unserer "Leistungsgruppe" mittanzt, ja gerne Turnier tanzen würde und überlege in einen Verein zu wechseln, was ja sehr schade sei, da ihr Partner ja nicht wechseln wolle, also so Blabla, Tanzschulflurfunk. Im Grunde wollte ich darauf hinaus, daß der NT, wenn er von den Ambitionen der jungen Dame erführe, ihr vielleicht Förderung und Unterstützung anbieten könne, schließlich ist der Mann ja einer, der seit 35 Jahren Turnieren tanzt und da entsprechend Erfahrung und Titel aufzuweisen hat.
Was jetzt kam, hat bei mir aber ziemliche Bestürzung ausgelöst.
"Die Nessie möchte Turnier tanzen? Mit DER FIGUR? Also wenn die Turniere tanzen will, dann muß die erstmal abnehmen, also wenn die BEI MIR Turnieren tanzen wollte, dann würde ich die erstmal aufs Laufband schicken."
Ungelogen.
Mein Einwand, daß ich durchaus schon stark übergewichte Frauen gesehen habe, die sich besser bewegen konnten als der ganze Rest der Tanzschule: vergessen Sie's.
Das Gespräch fand ein abruptes Ende, da der Kurs startete, aber die Sätze des NT's hallten lange nach.
Nessie ist jung. Sie ist nicht fett. Ich würde sie als etwas pummelig bezeichnen, wenn überhaupt, sie ist auf jeden Fall sehr weiblich. Ihr Kondition ist ausgezeichnet. Talent ist vorhanden. Sie lernt schnell. Sie ist ehrgeizig. Sie kann sich bewegen. Was darüberhinaus spielt eine Rolle?
Ich kenne mich im Tanzsport nicht aus. Es mag ja vielleicht sein, daß es bei bestimmten Tänzen / Figuren etc. aufgrund der auftretenden Fliehkräfte für einen Mann schwierig werden kann, die Dame zu halten, wenn sie sich so zurücklegt, wie es die Ästhetik im Tanzsport offenbar erfordert. Ich würde denken, daß dies eine größere Rolle spielt, je höherklassig man tanzt, denn ich nehme an, daß in den unteren Klassen die Damen sich noch nicht so weit zurückbeugen und die Herren auch die erforderliche Kraft und Körperspannung noch nicht haben. Ich könnte mir auch vorstellen, auch wenn ich es nicht gutheiße, daß Wertungsrichter gewisse Ansprüche an die Physis einer Tänzerin stellen und daß man dann ggf. nicht mit besonders guten Platzierungen rechnen kann, wenn man diesen Ansprüchen nicht gerecht wird. Dennoch halte ich jugendliche Pummeligkeit vor dem Hintergrund dieser Überlegungen keinesfalls für ein Ausschlußkriterium, um in den Turniersport hineinzuschnuppern.
Was mich aber besonders gestört hat, war die Geisteshaltung, die aus diesen Sätzen für mich ablesbar war: Wer den ästhetischen Ansprüchen des NT nicht genügt, der hat es offenbar auch nicht verdient, Talent und Ehrgeiz egal, besonders gefördert zu werden.
Und kann man nicht gerade bei jungen Menschen viel zerstören? Was ist mit dem Selbstwertgefühl, dem Spaß am Tanzen, die Lust sich im Wettkampf zu messen? Was ist mit Eßstörungen? Was ist mit falschen Vorbildern? Und was ist letztlich, wenn sie erfährt, wie er über sie denkt - verliert dann nicht sein Brötchengeber einen zahlenden Kunden?
Kennt sich einer im Tanzsport gut aus? Wie ist das - haben da nur Bohnenstangen eine Chance?
.
*Name von der Redaktion geändert
Ich gesellte mich zu ihm und wir sprachen kurz miteinander und während des Gesprächs ließ ich einfließen, daß Nessie*, eine äußerst talentierte junge Dame, die auch in unserer "Leistungsgruppe" mittanzt, ja gerne Turnier tanzen würde und überlege in einen Verein zu wechseln, was ja sehr schade sei, da ihr Partner ja nicht wechseln wolle, also so Blabla, Tanzschulflurfunk. Im Grunde wollte ich darauf hinaus, daß der NT, wenn er von den Ambitionen der jungen Dame erführe, ihr vielleicht Förderung und Unterstützung anbieten könne, schließlich ist der Mann ja einer, der seit 35 Jahren Turnieren tanzt und da entsprechend Erfahrung und Titel aufzuweisen hat.
Was jetzt kam, hat bei mir aber ziemliche Bestürzung ausgelöst.
"Die Nessie möchte Turnier tanzen? Mit DER FIGUR? Also wenn die Turniere tanzen will, dann muß die erstmal abnehmen, also wenn die BEI MIR Turnieren tanzen wollte, dann würde ich die erstmal aufs Laufband schicken."
Ungelogen.
Mein Einwand, daß ich durchaus schon stark übergewichte Frauen gesehen habe, die sich besser bewegen konnten als der ganze Rest der Tanzschule: vergessen Sie's.
Das Gespräch fand ein abruptes Ende, da der Kurs startete, aber die Sätze des NT's hallten lange nach.
Nessie ist jung. Sie ist nicht fett. Ich würde sie als etwas pummelig bezeichnen, wenn überhaupt, sie ist auf jeden Fall sehr weiblich. Ihr Kondition ist ausgezeichnet. Talent ist vorhanden. Sie lernt schnell. Sie ist ehrgeizig. Sie kann sich bewegen. Was darüberhinaus spielt eine Rolle?
Ich kenne mich im Tanzsport nicht aus. Es mag ja vielleicht sein, daß es bei bestimmten Tänzen / Figuren etc. aufgrund der auftretenden Fliehkräfte für einen Mann schwierig werden kann, die Dame zu halten, wenn sie sich so zurücklegt, wie es die Ästhetik im Tanzsport offenbar erfordert. Ich würde denken, daß dies eine größere Rolle spielt, je höherklassig man tanzt, denn ich nehme an, daß in den unteren Klassen die Damen sich noch nicht so weit zurückbeugen und die Herren auch die erforderliche Kraft und Körperspannung noch nicht haben. Ich könnte mir auch vorstellen, auch wenn ich es nicht gutheiße, daß Wertungsrichter gewisse Ansprüche an die Physis einer Tänzerin stellen und daß man dann ggf. nicht mit besonders guten Platzierungen rechnen kann, wenn man diesen Ansprüchen nicht gerecht wird. Dennoch halte ich jugendliche Pummeligkeit vor dem Hintergrund dieser Überlegungen keinesfalls für ein Ausschlußkriterium, um in den Turniersport hineinzuschnuppern.
Was mich aber besonders gestört hat, war die Geisteshaltung, die aus diesen Sätzen für mich ablesbar war: Wer den ästhetischen Ansprüchen des NT nicht genügt, der hat es offenbar auch nicht verdient, Talent und Ehrgeiz egal, besonders gefördert zu werden.
Und kann man nicht gerade bei jungen Menschen viel zerstören? Was ist mit dem Selbstwertgefühl, dem Spaß am Tanzen, die Lust sich im Wettkampf zu messen? Was ist mit Eßstörungen? Was ist mit falschen Vorbildern? Und was ist letztlich, wenn sie erfährt, wie er über sie denkt - verliert dann nicht sein Brötchengeber einen zahlenden Kunden?
Kennt sich einer im Tanzsport gut aus? Wie ist das - haben da nur Bohnenstangen eine Chance?
.
*Name von der Redaktion geändert
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b-reeze,
Dienstag, 7. Dezember 2010, 13:12
Ich habe schon mit - begabten - Damen getanzt, die gewichtsmäßig einiges mehr hatten als ich und das war nicht unangenehm, ganz und gar nicht!! Dagegen hängen sich "Bohnenstangen" - die unbegabten - manchmal so stark rein, dass man nach einem Tanz schon Spinat essen müsste.
Ich finde die Äußerung des Herrn NT dermaßen anmaßend - aber auch verständlich: will er doch den guten Ruf unter der Konkurrenz nicht gefährden. Eine Dicke, die unter seinem Namen tanzt: no go! Die wird erst salonfähig, wenn sie in der S-Klasse mindestens auf Landesmeister-Niveau tanzt. Der NT denkt nur an sich......stattdessen sollte er Talente fördern, wenn er seinen Job ernst nehmen würde.
Schade
Ich finde die Äußerung des Herrn NT dermaßen anmaßend - aber auch verständlich: will er doch den guten Ruf unter der Konkurrenz nicht gefährden. Eine Dicke, die unter seinem Namen tanzt: no go! Die wird erst salonfähig, wenn sie in der S-Klasse mindestens auf Landesmeister-Niveau tanzt. Der NT denkt nur an sich......stattdessen sollte er Talente fördern, wenn er seinen Job ernst nehmen würde.
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midori,
Dienstag, 7. Dezember 2010, 17:23
Vielen Dank für Ihre Meinung.
Habe mittlerweile im Internet gelesen, daß die Vorschriften für Wertungsrichter vorgeben, daß die äußere Erscheinung nicht Bestandteil der Bewertung ist - die Kleidung also auch nicht. Trotzdem scheint es im Turniersport eine wahre Kleiderschlacht gerade bei den Damen zu geben. Wohl ein gutes Beispiel für Theorie und Praxis....
Habe mittlerweile im Internet gelesen, daß die Vorschriften für Wertungsrichter vorgeben, daß die äußere Erscheinung nicht Bestandteil der Bewertung ist - die Kleidung also auch nicht. Trotzdem scheint es im Turniersport eine wahre Kleiderschlacht gerade bei den Damen zu geben. Wohl ein gutes Beispiel für Theorie und Praxis....
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b-reeze,
Mittwoch, 8. Dezember 2010, 09:01
Die Kleiderschlacht gab es schon immer, allerdings gibt es auch im Turniertanzsport Modetrends. Schließlich will ja jeder punkten und um so schlechter das tänzerische Niveau, desto mehr müssen es die Klamotten tun.
Die Vorschriften für Wertungsrichter kann man in dieser Hinsicht in die Tonne kloppen. Da sowieso die meisten WR Männer sind, ist doch klar, was die von der Ästhetik her bevorzugen. Man kann einfach schlecht objektiv bleiben, wenn ein Moppelchen neben einem Modelfigürchen tanzt....
Die Vorschriften für Wertungsrichter kann man in dieser Hinsicht in die Tonne kloppen. Da sowieso die meisten WR Männer sind, ist doch klar, was die von der Ästhetik her bevorzugen. Man kann einfach schlecht objektiv bleiben, wenn ein Moppelchen neben einem Modelfigürchen tanzt....
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midori,
Mittwoch, 8. Dezember 2010, 14:59
Naja, aber ist es denn tatsächlich so, daß alle Männer bzw. Wertungsrichter tatsächlich die gertenschlanken Frauen besser finden? Es soll ja tatsächlich auch Männer geben, die finden Frauen mit Kurven erheblich attraktiver. Und ich denke, es kommt ja auch immer auf die Bewegungsqualität an und da habe ich eben schon sehr korpulente Frauen gesehen, die sich unglaublich gut bewegen konnten. Interessant ist natürlich das Grenzland, also was, wenn die Dame eben weder dürr noch adipös ist, sondern eben weiblichen Rundungen versehen, warum sollte die sich ändern müssen?
Je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr muß ich mit dem Kopf schütteln.....
Irgendwann hatte ich auch mal gehört, daß Platzierungen davon abhängen, ob man bei den Wertungsrichtern vorher Privatstunden genommen hat (resp. ihm Geld hat zukommen lassen...)
Je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr muß ich mit dem Kopf schütteln.....
Irgendwann hatte ich auch mal gehört, daß Platzierungen davon abhängen, ob man bei den Wertungsrichtern vorher Privatstunden genommen hat (resp. ihm Geld hat zukommen lassen...)
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b-reeze,
Dienstag, 14. Dezember 2010, 12:45
...ja und wenn man bei jemandem Privatstunden genommen hat, dann würde er sich ja ins eigene Fleisch schneiden, wenn er zugeben würde, dass SEIN Paar nicht das beste ist: alles Profilneurosen!
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midori,
Dienstag, 14. Dezember 2010, 15:51
Je mehr ich über diesen Sport erfahre, desto weniger bin ich geneigt, eine Turnierteilnahme überhaupt noch in Erwägung zu ziehen.
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b-reeze,
Dienstag, 14. Dezember 2010, 16:21
Ich habe immer nur aus Spaß getanzt, hab aber eine zeitlang als Wertungsrichter gewirkt und trainiere heute nur noch. Diese Turnieratmosphäre war mir immer zu aufgeregt, stressig und hochgeputscht, vor allem als Teilnehmer. Mir geht es beim Tanzen rein um die Ästhetik der Bewegung zur Musik und um den Spaß daran wertschätzend zu vermitteln. Meine Tanzschüler wissen das zu schätzen und sie tun das teilweise schon seit über 15 Jahren. Alles andere hat für mich keinen Sinn. Tanzen ist Selbstzweck! Wer anderen etwas beweisen muss, hat schon verloren.
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gedankengebaeude,
Dienstag, 11. Januar 2011, 11:27
Ich schätze, das ist wie bei den Models. Da werden Frauen mit Kleidergröße 36 schon schief angesehen. Von guten Proportionen will keiner etwas hören. Vielleicht wird es im Tanzgeschäft auch irgendwann mehr Emanzipation geben. Das setzt natürlich gute Vorbilder und Lehrer voraus. Ich hatte aber immer den Eindruck, dass Tanzsport, Eiskunstlauf u.ä. so von Ehrgeiz und vermeintlicher Perfektion zerfressen sind, dass man sich soundso überlegen sollte, ob man da tiefer einsteigen möchte.
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midori,
Dienstag, 11. Januar 2011, 14:50
Jeder Leistungssport hat natürlich mit Ehrgeiz und auch Perfektionismus zu tun. Aber die figürlichen Aspekte spielen da doch auf einer ganz anderen Ebene eine Rolle. Wer leistungsmäßig Sport betreibt und trotzdem nicht Größe 34 hat, der ist eben so - soll man demjenigen daraus einen Strick drehen, obwohl er genauso hart viel trainiert und an sich arbeitet?
Je mehr ich mich mit dem Thema Körpergewicht befasse, desto weniger bin ich bereit, mich solchen vermeintlichen Gesetzen zu unterwerfen, desto weniger bin ich außerdem auch bereit, solche Tendenzen zu unterstützen oder überhaupt zu tolerieren. Mit Freude an der Bewegung hat das dann ja sowieso nichts mehr zu tun...
Je mehr ich mich mit dem Thema Körpergewicht befasse, desto weniger bin ich bereit, mich solchen vermeintlichen Gesetzen zu unterwerfen, desto weniger bin ich außerdem auch bereit, solche Tendenzen zu unterstützen oder überhaupt zu tolerieren. Mit Freude an der Bewegung hat das dann ja sowieso nichts mehr zu tun...
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