Mittwoch, 3. März 2010
[falscher Film]
Es ist ja schon häufiger vorgekommen, daß ich den Eindruck hatte, ich lebe in einem anderen Universum als andere Menschen. Eigentlich regelmäßig.
Job - auch so ein Thema.
Ja, ändern sollte ich es vielleicht, aber es gibt ja auch Aspekte, die einen zurückhalten, die Gewohnheit zum Beispiel, man weiß, was man hat, man weiß, woran man ist, man weiß auch, was man nicht hat.

Es war mal anders, ich war gefordert, wurde gefördert, habe mich entwickelt, war leistungsbereit und motiviert.
Aber es gab genauso auch Rückschläge.
Ich frage mich, wann es dann kontinuierlich bergab ging.

Gestern jedenfalls war klar: der AL und ich, wir leben in verschiedenen Universen.
Er, laut und bollerig, energiegeladen, spritzig, stand vorne und erzählte etwas von toller Zusammenarbeit und Herausforderungen und den bereits gemeisterten Aufgaben und und und, daß es nur so sprudelte und währenddessen ging in mir die innere Schere immer weiter auseinander, er da, ich hier, und ich irgendwie ganz das Gegenteil von ihm.

Da hatte es ein Gespräch gegeben, das ist schon ziemlich lange her. Ich hatte ein Angebot gehabt von einem anderen Anbieter, die Bezahlung wäre ziemlich gut gewesen, die Konditionen naja, ich wollte nicht in ein Großraumbüro (wo ich jetzt sitze) und hatte auch nicht so richtig verstanden, warum der andere Arbeitgeber mich unbedingt wollte, denn meine Kernkompetenzen und das angebotene Arbeitsfeld paßten auch nicht so richtig zueinander, aber so what, mit einem Angebot in der Tasche läßt es sicht gut verhandeln.
Eigentlich wolle ich nicht gehen, sagte ich ihm, aber ich merke, daß ich nicht wirklich zufrieden sei und ein Teil von mir mir sage, daß ich vielleicht doch gehen solle. Das war die Wahrheit und warum nicht ehrlich sein? Die Möglichkeiten blieben ja offen und im schlechtesten Fall bliebe alles beim alten.

Er schien doch sehr bemüht, mir etwas zu bieten, sprach von Weiterentwicklung, interner Schulung, ich könne bei dem einen oder anderen Kollegen ja dies und jenes lernen da gebe es ja die Kompetenzen. Der TL schien überfordert, im Gespräch zu Dritt standen Schweißperlen auf seiner rotgefleckten Stirn.
Aber im Endeffekt sah es so aus: wir wollen Dich behalten, wir können Dir nichts bieten, außer uns selbst und versuchen was daraus zu machen, aber im Endeffekt mußt Du Dich selbst drum kümmern, daß Du weiterkommst. Dabei war der letzte Aspekt nicht so stark betont, sollte sich aber für die Zukunft als entscheidend herausstellen.

Also blieb ich damals. Es gab keinen Plan und die Kollegen waren nicht motiviert. Bei dem einen sah ich über die Schulter, er klickte wild herum, nichts funktioniert und die Sache war gestorben, didaktischer Dolchstoß. Der andere Kollege schweigt ohnehin beständig und der TL mit dem Fokus auf "ich mach mir hier keinen Streß, schließlich wollte ich den TL-Posten ja nicht".
Dann kam mein persönliches Zahndesaster, das mich gesundheitlich völlig aus der Bahn warf und ich war froh, den Arbeitgeber nicht gewechselt zu haben, denn das hätte einfach nicht zusammen funktioniert.

Danach war nichts mehr zu holen.
Im nachhinein schätze ich die Entwicklung so ein, daß der TL unser Team mehr oder weniger in der Bedeutungslosigkeit versickern ließ und lediglich, wenn der AL einmal Arbeitsanweisungen weitergab, tat sich etwas.
Währenddessen protegierte der AL das andere Team mit seinem persönlichen Dienstleister und seinem persönlichen Ziehkind, dem NWFK.

Es ging so weit, daß ich einmal eine Idee hatte, diese mit dem TL in einem Zielgespräch niederlegte und dann zurückgepfiffen wurden, was ich mir dabei dächte, so ein "Projekt" umzusetzen, ich habe mich mit dem NWFK abzusprechen.

Später war es dann so, daß der NWFK sehr in alle wichtigen Projekte eingebunden wurde und für gewisse Aufgaben wohl keine Zeit mehr hatte. Inzwischen hatte er auch eine Freundin gefunden und konnte wohl nicht mehr am Wochenende arbeiten.
Daher wurde mir dann offenbart, daß ich [Wichtigpopichtig] umsetzen solle. Ich war skeptisch, aber sagte, ok, das könne ich irgendwie machen.
Dann machte ich eine Kundenbefragung und bei der sprachen die Kunden vom "NWFK-Tool", das ich nicht kannte.
Eine Woche später launchte der NWFK sein Tool - es war identisch mit [Wichtigpopichtig].
In Kürze: ich war sauer, bat den TL um Klärung, der verschlampte das, ich fühlte mich im Stich gelassen, dann ging ich zum AL, blöderweise in Tränen aufgelöst. Der war überrascht und sagte, er dachte ich hätte gewußt, daß [Wichtigpopichtig] sozusagen nicht neu von mir erfunden würde, sondern ich diese Aufgabe vom NWFK übernehmen solle. Er sagte "Sorry" und das war's.

Ich wollte das aber nicht, ich hatte unter völlig anderen Voraussetzungen zugesagt und es war einfach nicht fair. Der NWFK hatte Fakten geschaffen, ich hatte kein freies Terrain mehr, sondern mußte nun auf bestelltem Feld sehen, wo ich noch etwas tun könnte.

Es gab noch ein Gespräch, in dem ich die Sache noch einmal klären wollte. Interessanterweise rastete der AL völlig aus, reagierte völlig emotional, während er mir gleichzeitig professionelles Verhalten abverlangte, was hieß "Tu, was ich Dir sage und halt die Fresse" - zumindest so ähnlich. Der TL saß in dem Gespräch und schwieg. Ich war so benommen wie damals, also mir nach beschleunigter Berabfahrt am Fahrrad die Bremszüge rissen - beide, während unten die Ampel auf Rot schaltete.

Wie ging es weiter?
Der TL riet mir, es auszusitzen "Manche Dinge klären sich von selbst".
Aber ich wollte kein Spielverderber sein und auch keine feige Sau, ich sagte, ok, dann mach ich's.
Der NWFK sollte sein Zeug dokumentieren, bekam dafür einige Monate Zeit (die er ja angeblich nicht hatte) und sollte dann mit mir in mehreren Etappen alles durchgehen.
Nicht notwendig zu sagen, daß der NWFK nichts dokumentierte.
Daß er während der folgenden Monate neue Releases herausbrachte und breit kommunizierte.
Daß ich ihm weitere goldene Brücken baute, wir könnten ja gemeinsam weiterentwickeln nach Absprache, ich merkte, er wollte sein Baby nicht weggeben, aber irgendwie mußte der Punkt doch mal geklärt werden.
Nichts, es geschah nichts. Nur meine Wut, die wuchs.

Ok, ich hatte noch eine letzte Domäne, dieses OLAP-Dings, nur irgendwie keine tollen Ideen.

Und dann geschah es so, daß ein Kollege aus der Hauptstadt die OLAP-Aufgaben übergeben wollte an eine andere Kollegin aus der Hauptstadt und anläßlich dessen klingte sich der NWFK ein und wollte mitgeschult werden und dafür wurden die beiden Kollegen aus der Hauptstadt eingeflogen.
Und der NWFK beantragte für sich Administratorrechte auf dem OLAP-Server und baut dort nun fleißig seine eigenen Sachen.

Wie kann das sein, wenn er doch gar keine Zeit hat und in allen wichtigen Projekten steckt?

Währenddessen versinkt unser Team mit dem TL, der keinen Bock auf Streß hat, weiter in der Bedeutungslosigkeit.

Eine Frage der Zeit, fürchte ich, bis jemand entdeckt, daß wir überflüssig sind.

Und trotzdem halte ich an der irrealen Hoffnung fest, es könnte doch noch etwas werden mit uns, mit mir und dem Job hier, den ich irgendwann wirklich gerne gemacht habe, der mir Erfolgserlebnisse brachte, in dem ich mich entwickelte, in dem ich für meine Arbeit gelobt wurde.


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