Montag, 29. Juni 2009
[Im Zoo Beim Zoll]
midori, 18:07h
Ich habe da vor einigen Wochen was bestellt. In Amerika. So macht man das ja heute, wo man Internet hat. Da geht man nicht mehr nebenan ins Geschäft und kauft was, das kann ja jeder. Ich kaufe in Amerika. Weil ich es kann.
Jetzt ist also ein Päckchen gekommen, aus Amerika. Naja, nicht ganz. Es ist ein Brief im Briefkasten gewesen. Vom Zoll. Da liege mein Päckchen aus Amerika und ich soll es da abholen und noch diese und jene Unterlage mitbringen.
Der Zoll hat keine kundenfreundlichen Öffnungszeiten und er residiert außerhalb der Stadt. Also rufe ich vorher an, schließlich will ich nicht zweimal hinmüssen.
„Warf-warf-warff“ bellt eine Stimme in den Hörer und ich habe kein Wort verstanden, aber ich habe ja eine von den Nummern auf dem Zettel gewählt, also muß da der Zoll dran sein.
Ich sage höflich Guten Tag, ich habe da so eine Benachrichtigung bekommen und da wollte ich sichergehen, daß ich alles dabeihabe usw. Beim Zoll hat man schon Erfahrung mit Leuten wie mir. „Bringen Sie den eBucht-Beleg mit und den pilpal-Beleg.“, bellt die Stimme. Ich frage: „Soll ich auch Geld mitbringen?“. „Ist von Vorteil“, bellt es. Ok.
Am nächsten Morgen stehe ich also früh auf und fahre zum Zoll.
An der Tür ist ein Hinweis auf Videoüberwachung und mich befällt die übliche Beklommenheit beim Betreten einer offiziellen Behörde, dieses Gefühl, man sei schon von vornherein schuldig und verdächtig. Einen kleinen Beitrag dazu leisten auch die Poster, die da hängen mit schattenhaften Totenköpfen und dem Spruch „Der Zoll sieht, was Du nicht siehst.“ Okeeeeee.
Immerhin finde ich recht schnell das richtige Büro, die Wegweiser leisten ihre Dienste, und dann stehe ich da hinter einer Art Tresen. Auf der anderen Seite stehen vier Schreibtische, zwei davon besetzt. Vor mir noch ein andererKunde Bittsteller, der dann aber kurz mal raus muß, um laut zu telefonieren mit „Schatzi“ und sagt, es tue ihm „leid, wegen dem Hund“ und sie könne immer anrufen, wenn was sei. Ist ja rührend. Aber muß das so laut sein?
Ich sage höflich: Guten Morgen.
Keine Antwort.
Ich warte darauf, daß eine der anwesenden Damen den Blickkontakt zu mir aufnimmt. Die eine ist eine stark übergewichtige Kampflesbe mit schwarzgefärbtem Iro, die andere ein etwas welk wirkendes Mauerblümchen mitunglaublichem breitem Gesäß unglücklichen Körperproportionen.
Ich sage noch einmal: Guten Morgen.
Keine Antwort.
Ich finde das befremdlich. Wo man doch schon überall diese Floskeln gewohnt ist, dieses „Guten Tag, mein Name ist Katja Meier-Piepenbrink, was kann ich für Sie tun / Bitte haben Sie noch einen kleinen Moment Geduld, es sind alle Plätze belegt / Schön, daß Sie da sind, bitte warten Sie doch noch einen Moment, wir sind gleich für Sie da“. All diese weichgespülten Formeln, die das soziale Räderwerk schmieren, hier gelten sie nicht, hier existieren sie nicht einmal.
Der Telefon-Typ kommt wieder rein und diskutiert mit der Kampflesbe, die gönnerhaft und von oben herab seine Gebühren ausrechnet und mitteilt. Er bekommt einen Zettel und muß an der Kasse bezahlen gehen.
Plötzlich, ich weiß nicht, was der Auslöser ist, erhebt sich das Mauerblümchen und fragt mich nach meinem Begehr. Ich reiche meine Zettelsammlung und sage, ich wolle da was abholen. Die geht weg.
Ein Kollege im Azubi-Alter entert den Raum. Er sagt guten Morgen, setzt sich an einen der freien Plätze und verharrt dann stumm und bewegungslos, während die Kiste gefühlte Jahre benötigt, um hochzufahren.
Dann kommt ein weiterer Kollege rein. Das Gesicht vom Alkohol deutlich gezeichnet, Igelschnitt und Klamotten, die schon seit 20 Jahren nicht mehr in Mode sind. Er beschwert sich, daß man sich jetzt schon Michael Jackson Songs im Radio wünschen kann, tiriliert dann im Falsett „I’m bad“, hält eine Hand hinter dem Kopf und die andere greift in den Schritt. Die Kampflesbe drückt ihm ein paar Sprüche.
Ich bin sprachlos. Lächele höflich.
Der Alki geht ab.
Dafür kommt ein weiterer Kollege im Azubialter, setzt sich auf den letzten freien Platz und versinkt dann ebenso stumm und bewegungslos vor dem Monitor, wie der andere vor ihm auch schon.
Das Mauerblümchen kommt wieder und hackt etwas in ihren Rechner.
Dann kommt aus dem Nebenbüro der Chef und trägt mit ein paar Insidersprüchen, die ich als Außenstehende nicht dechiffrieren kann, zur allgemeinen Erheiterung bei. Die Kampflesbe übermittelt dem Mauerblümchen Nummerncodes. Ich glaube, es geht um mein Päckchen.
Dann kommt sie mit dem Zettel und einem Cutter. „Aufmachen“, befiehlt sie. Ist mir unangenehm, aber letztlich gucken die gar nicht rein, sondern fragen bloß: „Ist alles da?“
Mann, mann!
Dann darf ich ins Nebenbüro, zur Kasse. Bitte klopfen, steht an der Tür, also klopfe ich, auch wenn die Tür halb offen steht.
Der Alki sitzt da und bemüht sich nicht einmal zu verbergen, daß er gerade eingehend den Prospekt eines Anbieters für Unterhaltungselektronik studiert, der heute der Tageszeitung beiliegt. Er räumt ihn seelenruhig beiseite und dann wird seelenruhig und mit der Hand (!) ein Beleg geschrieben und liebevoll abgestempelt, mit der Hand, die sich da gerade in den Schritt gegriffen hat, in dem anderen Büro. Und mit der Hand zählt er mir das Wechselgeld hin.
Ich sage: Danke und einen schönen Tag noch, und er sagt danke und Tschüß.
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Jetzt ist also ein Päckchen gekommen, aus Amerika. Naja, nicht ganz. Es ist ein Brief im Briefkasten gewesen. Vom Zoll. Da liege mein Päckchen aus Amerika und ich soll es da abholen und noch diese und jene Unterlage mitbringen.
Der Zoll hat keine kundenfreundlichen Öffnungszeiten und er residiert außerhalb der Stadt. Also rufe ich vorher an, schließlich will ich nicht zweimal hinmüssen.
„Warf-warf-warff“ bellt eine Stimme in den Hörer und ich habe kein Wort verstanden, aber ich habe ja eine von den Nummern auf dem Zettel gewählt, also muß da der Zoll dran sein.
Ich sage höflich Guten Tag, ich habe da so eine Benachrichtigung bekommen und da wollte ich sichergehen, daß ich alles dabeihabe usw. Beim Zoll hat man schon Erfahrung mit Leuten wie mir. „Bringen Sie den eBucht-Beleg mit und den pilpal-Beleg.“, bellt die Stimme. Ich frage: „Soll ich auch Geld mitbringen?“. „Ist von Vorteil“, bellt es. Ok.
Am nächsten Morgen stehe ich also früh auf und fahre zum Zoll.
An der Tür ist ein Hinweis auf Videoüberwachung und mich befällt die übliche Beklommenheit beim Betreten einer offiziellen Behörde, dieses Gefühl, man sei schon von vornherein schuldig und verdächtig. Einen kleinen Beitrag dazu leisten auch die Poster, die da hängen mit schattenhaften Totenköpfen und dem Spruch „Der Zoll sieht, was Du nicht siehst.“ Okeeeeee.
Immerhin finde ich recht schnell das richtige Büro, die Wegweiser leisten ihre Dienste, und dann stehe ich da hinter einer Art Tresen. Auf der anderen Seite stehen vier Schreibtische, zwei davon besetzt. Vor mir noch ein anderer
Ich sage höflich: Guten Morgen.
Keine Antwort.
Ich warte darauf, daß eine der anwesenden Damen den Blickkontakt zu mir aufnimmt. Die eine ist eine stark übergewichtige Kampflesbe mit schwarzgefärbtem Iro, die andere ein etwas welk wirkendes Mauerblümchen mit
Ich sage noch einmal: Guten Morgen.
Keine Antwort.
Ich finde das befremdlich. Wo man doch schon überall diese Floskeln gewohnt ist, dieses „Guten Tag, mein Name ist Katja Meier-Piepenbrink, was kann ich für Sie tun / Bitte haben Sie noch einen kleinen Moment Geduld, es sind alle Plätze belegt / Schön, daß Sie da sind, bitte warten Sie doch noch einen Moment, wir sind gleich für Sie da“. All diese weichgespülten Formeln, die das soziale Räderwerk schmieren, hier gelten sie nicht, hier existieren sie nicht einmal.
Der Telefon-Typ kommt wieder rein und diskutiert mit der Kampflesbe, die gönnerhaft und von oben herab seine Gebühren ausrechnet und mitteilt. Er bekommt einen Zettel und muß an der Kasse bezahlen gehen.
Plötzlich, ich weiß nicht, was der Auslöser ist, erhebt sich das Mauerblümchen und fragt mich nach meinem Begehr. Ich reiche meine Zettelsammlung und sage, ich wolle da was abholen. Die geht weg.
Ein Kollege im Azubi-Alter entert den Raum. Er sagt guten Morgen, setzt sich an einen der freien Plätze und verharrt dann stumm und bewegungslos, während die Kiste gefühlte Jahre benötigt, um hochzufahren.
Dann kommt ein weiterer Kollege rein. Das Gesicht vom Alkohol deutlich gezeichnet, Igelschnitt und Klamotten, die schon seit 20 Jahren nicht mehr in Mode sind. Er beschwert sich, daß man sich jetzt schon Michael Jackson Songs im Radio wünschen kann, tiriliert dann im Falsett „I’m bad“, hält eine Hand hinter dem Kopf und die andere greift in den Schritt. Die Kampflesbe drückt ihm ein paar Sprüche.
Ich bin sprachlos. Lächele höflich.
Der Alki geht ab.
Dafür kommt ein weiterer Kollege im Azubialter, setzt sich auf den letzten freien Platz und versinkt dann ebenso stumm und bewegungslos vor dem Monitor, wie der andere vor ihm auch schon.
Das Mauerblümchen kommt wieder und hackt etwas in ihren Rechner.
Dann kommt aus dem Nebenbüro der Chef und trägt mit ein paar Insidersprüchen, die ich als Außenstehende nicht dechiffrieren kann, zur allgemeinen Erheiterung bei. Die Kampflesbe übermittelt dem Mauerblümchen Nummerncodes. Ich glaube, es geht um mein Päckchen.
Dann kommt sie mit dem Zettel und einem Cutter. „Aufmachen“, befiehlt sie. Ist mir unangenehm, aber letztlich gucken die gar nicht rein, sondern fragen bloß: „Ist alles da?“
Mann, mann!
Dann darf ich ins Nebenbüro, zur Kasse. Bitte klopfen, steht an der Tür, also klopfe ich, auch wenn die Tür halb offen steht.
Der Alki sitzt da und bemüht sich nicht einmal zu verbergen, daß er gerade eingehend den Prospekt eines Anbieters für Unterhaltungselektronik studiert, der heute der Tageszeitung beiliegt. Er räumt ihn seelenruhig beiseite und dann wird seelenruhig und mit der Hand (!) ein Beleg geschrieben und liebevoll abgestempelt, mit der Hand, die sich da gerade in den Schritt gegriffen hat, in dem anderen Büro. Und mit der Hand zählt er mir das Wechselgeld hin.
Ich sage: Danke und einen schönen Tag noch, und er sagt danke und Tschüß.
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kid37,
Dienstag, 30. Juni 2009, 13:49
Am Wochenende habe ich auch ein paar nette Zollgeschichten gehört, es gibt ja Menschen, die beruflich öfter mit denen zu tun haben. Ich habe den Eidnruck gewonnen, selbst in meinem Finanzamt ist man deutlich serviceorientierter, bürgerfreundlich, wie das heute so schön heißt. Ich stelle mir solche Orte als letzte Reservate vor, vergleichbar mit den Karl-May-Festspielen. Nur daß man leider zum Mitspielen verdonnert ist. Auf derart modernes Theater stehe ich ja nicht.
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